15.11.2024
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Dokument-Nr. 1659

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Urteil11.07.2002BundesgerichtshofI ZR 255/00
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Bundesgerichtshof Urteil11.07.2002

Pressespiegel dürfen elektronisch übermittelt werdenGrund­sat­z­ent­scheidung des Bundes­ge­richtshofs zu elektronischen Pressespiegeln

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die urheber­rechtliche Streitfrage entschieden, ob elektronische Pressespiegel unter die für herkömmliche Pressespiegel geltende Regelung des Gesetzes fallen und damit auch ohne Zustimmung des Urhebers erstellt und verbreitet werden können.

Die Verwer­tungs­ge­sell­schaft Wort nimmt für die Wortautoren Rechte wahr, die vom einzelnen Urheber aus Zweck­mä­ßig­keits­gründen nicht geltend gemacht werden können. Hierzu zählt auch die Vergütung für Pressespiegel, also für die in Unternehmen oder Behörden erstellten und verbreiteten Zusam­men­stel­lungen von Zeitungs­ar­tikeln über aktuelle Tagesereignisse. Der Wortlaut des in diesem Punkt nicht eindeutigen Urheber­rechts­ge­setzes wird seit jeher überwiegend so verstanden, daß derartige Pressespiegel ohne Zustimmung der Urheber, deren Artikel kopiert werden, zulässig sind. Jedoch muß für diese Nutzung eine Vergütung gezahlt werden, die die Verwer­tungs­ge­sell­schaft Wort einzieht und unter den Journalisten verteilt, deren Artikel in Pressespiegeln verwendet werden.

Seit langem ist streitig, ob dieses sogenannte Presse­spie­gel­privileg sich auch auf elektronische Pressespiegel bezieht, die durch Einscannen der fraglichen Zeitungsartikel erstellt und sodann elektronisch übermittelt werden. Die Verwer­tungs­ge­sell­schaft Wort steht auf dem Standpunkt, das gesetzliche Privileg umfasse auch diese Zusam­men­stel­lungen, die immer mehr an die Stelle herkömmlicher Pressespiegel träten. Sie beansprucht für sich das Recht, die gesetzliche Vergütung einzuziehen. Dementsprechend hatte sie auch mit einem Frankfurter Unternehmen einen Rahmenvertrag über einen solchen per E-Mail zu übermittelnden Pressespiegel geschlossen. Demgegenüber stehen die Zeitungs­verleger auf dem Standpunkt, das Presse­spie­gel­privileg beziehe sich nicht auf elektronische Pressespiegel. Im konkreten Fall hat die Berliner Zeitung die Verwer­tungs­ge­sell­schaft Wort auf Unterlassung in Anspruch genommen; sie leitet ihre Berechtigung daraus ab, daß ihre Redakteure und ihre freien Mitarbeiter ihr sämtliche Nutzungsrechte eingeräumt hätten. Da der elektronische Pressespiegel nicht unter die Ausnah­me­be­stimmung des § 49 UrhG falle, lägen die Rechte hierfür beim Urheber bzw. aufgrund der Recht­sein­räumung beim Verleger. Landgericht und Oberlan­des­gericht Hamburg hatten ihr in dieser Einschätzung Recht gegeben.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidungen der Vorinstanz aufgehoben. Der elektronische Pressespiegel unterscheide sich nicht wesentlich vom Pressespiegel in Papierform, solange gewisse Bedingungen eingehalten seien. Dabei ist der BGH davon ausgegangen, daß auch Pressespiegel, die auf herkömmliche Weise, also in Papierform, verbreitet werden, schon heute häufig durch Einsatz eines Scanners elektronisch erstellt werden. Die vom Oberlan­des­gericht zu Recht angeführte Gefahr des Mißbrauchs – vor allem die Gefahr, daß im Zuge der elektronischen Erstellung des Pressespiegels gleichzeitig ein zentrales elektronisches Archiv angelegt werde – bestehe unabhängig davon, ob der Pressespiegel in Papierform oder elektronisch übermittelt werde. Der Besorgnis, der Endabnehmer könne aus den ihm elektronisch übermittelten Pressespiegeln ein eigenes dezentrales Archiv aufbauen, lasse sich dadurch begegnen, daß die Pressespiegel nicht als Text-, sondern als graphische Datei – etwa im pdf-Format – übermittelt würden. Außerdem müsse der Kreis der Bezieher überschaubar sein. Deshalb komme eine elektronische Übermittlung nur für betriebs- oder behördeninterne Pressespiegel in Betracht, nicht dagegen für kommerzielle Dienste.

Da noch nicht festgestellt ist, ob sich der elektronische Pressespiegel des Frankfurter Unternehmens in diesen Grenzen hält, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache an das Oberlan­des­gericht zur weiteren Klärung zurückverwiesen.

Vorinstanzen:

OLG Hamburg, LG Hamburg

Quelle: Pressemitteilung Nr. 76/2002 des BGH vom 12.07.2002

der Leitsatz

UrhG § 97

Eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft, die ihr nicht zustehende Nutzungsrechte einräumt oder ihr nicht zustehende Vergü­tungs­ansprüche geltend macht und dabei nicht auf bestehende Zweifel an ihrer Rechts­in­ha­ber­schaft hinweist, kann als Teilnehmerin einer dadurch veranlaßten Urheber­rechts­ver­letzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

UrhG § 49 Abs. 1; RL 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 lit. c

a) Die Privilegierung des § 49 Abs. 1 UrhG umfaßt herkömmliche Pressespiegel jedenfalls insoweit, als sie nur betriebs- oder behördenintern verbreitet werden.

b) Auch Pressespiegel, die elektronisch übermittelt werden, jedoch nach Funktion und Nutzungs­po­tential noch im wesentlichen dem herkömmlichen Pressespiegel entsprechen, fallen unter § 49 Abs. 1 UrhG. Dies setzt voraus, daß der elektronisch übermittelte Pressespiegel nur betriebs- oder behördenintern und nur in einer Form zugänglich gemacht wird, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Vollt­ext­re­cherche eignet.

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