Dokument-Nr. 1659
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Bundesgerichtshof Urteil11.07.2002
Pressespiegel dürfen elektronisch übermittelt werdenGrundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu elektronischen Pressespiegeln
Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die urheberrechtliche Streitfrage entschieden, ob elektronische Pressespiegel unter die für herkömmliche Pressespiegel geltende Regelung des Gesetzes fallen und damit auch ohne Zustimmung des Urhebers erstellt und verbreitet werden können.
Die Verwertungsgesellschaft Wort nimmt für die Wortautoren Rechte wahr, die vom einzelnen Urheber aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht geltend gemacht werden können. Hierzu zählt auch die Vergütung für Pressespiegel, also für die in Unternehmen oder Behörden erstellten und verbreiteten Zusammenstellungen von Zeitungsartikeln über aktuelle Tagesereignisse. Der Wortlaut des in diesem Punkt nicht eindeutigen Urheberrechtsgesetzes wird seit jeher überwiegend so verstanden, daß derartige Pressespiegel ohne Zustimmung der Urheber, deren Artikel kopiert werden, zulässig sind. Jedoch muß für diese Nutzung eine Vergütung gezahlt werden, die die Verwertungsgesellschaft Wort einzieht und unter den Journalisten verteilt, deren Artikel in Pressespiegeln verwendet werden.
Seit langem ist streitig, ob dieses sogenannte Pressespiegelprivileg sich auch auf elektronische Pressespiegel bezieht, die durch Einscannen der fraglichen Zeitungsartikel erstellt und sodann elektronisch übermittelt werden. Die Verwertungsgesellschaft Wort steht auf dem Standpunkt, das gesetzliche Privileg umfasse auch diese Zusammenstellungen, die immer mehr an die Stelle herkömmlicher Pressespiegel träten. Sie beansprucht für sich das Recht, die gesetzliche Vergütung einzuziehen. Dementsprechend hatte sie auch mit einem Frankfurter Unternehmen einen Rahmenvertrag über einen solchen per E-Mail zu übermittelnden Pressespiegel geschlossen. Demgegenüber stehen die Zeitungsverleger auf dem Standpunkt, das Pressespiegelprivileg beziehe sich nicht auf elektronische Pressespiegel. Im konkreten Fall hat die Berliner Zeitung die Verwertungsgesellschaft Wort auf Unterlassung in Anspruch genommen; sie leitet ihre Berechtigung daraus ab, daß ihre Redakteure und ihre freien Mitarbeiter ihr sämtliche Nutzungsrechte eingeräumt hätten. Da der elektronische Pressespiegel nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 49 UrhG falle, lägen die Rechte hierfür beim Urheber bzw. aufgrund der Rechtseinräumung beim Verleger. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg hatten ihr in dieser Einschätzung Recht gegeben.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen der Vorinstanz aufgehoben. Der elektronische Pressespiegel unterscheide sich nicht wesentlich vom Pressespiegel in Papierform, solange gewisse Bedingungen eingehalten seien. Dabei ist der BGH davon ausgegangen, daß auch Pressespiegel, die auf herkömmliche Weise, also in Papierform, verbreitet werden, schon heute häufig durch Einsatz eines Scanners elektronisch erstellt werden. Die vom Oberlandesgericht zu Recht angeführte Gefahr des Mißbrauchs – vor allem die Gefahr, daß im Zuge der elektronischen Erstellung des Pressespiegels gleichzeitig ein zentrales elektronisches Archiv angelegt werde – bestehe unabhängig davon, ob der Pressespiegel in Papierform oder elektronisch übermittelt werde. Der Besorgnis, der Endabnehmer könne aus den ihm elektronisch übermittelten Pressespiegeln ein eigenes dezentrales Archiv aufbauen, lasse sich dadurch begegnen, daß die Pressespiegel nicht als Text-, sondern als graphische Datei – etwa im pdf-Format – übermittelt würden. Außerdem müsse der Kreis der Bezieher überschaubar sein. Deshalb komme eine elektronische Übermittlung nur für betriebs- oder behördeninterne Pressespiegel in Betracht, nicht dagegen für kommerzielle Dienste.
Da noch nicht festgestellt ist, ob sich der elektronische Pressespiegel des Frankfurter Unternehmens in diesen Grenzen hält, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zur weiteren Klärung zurückverwiesen.
Vorinstanzen:
OLG Hamburg, LG Hamburg
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.07.2002
Quelle: Pressemitteilung Nr. 76/2002 des BGH vom 12.07.2002
der Leitsatz
UrhG § 97
Eine Verwertungsgesellschaft, die ihr nicht zustehende Nutzungsrechte einräumt oder ihr nicht zustehende Vergütungsansprüche geltend macht und dabei nicht auf bestehende Zweifel an ihrer Rechtsinhaberschaft hinweist, kann als Teilnehmerin einer dadurch veranlaßten Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
UrhG § 49 Abs. 1; RL 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 lit. c
a) Die Privilegierung des § 49 Abs. 1 UrhG umfaßt herkömmliche Pressespiegel jedenfalls insoweit, als sie nur betriebs- oder behördenintern verbreitet werden.
b) Auch Pressespiegel, die elektronisch übermittelt werden, jedoch nach Funktion und Nutzungspotential noch im wesentlichen dem herkömmlichen Pressespiegel entsprechen, fallen unter § 49 Abs. 1 UrhG. Dies setzt voraus, daß der elektronisch übermittelte Pressespiegel nur betriebs- oder behördenintern und nur in einer Form zugänglich gemacht wird, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Volltextrecherche eignet.
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