21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.07.2006

Kontaktanzeigen von Prostituierten sind wettbe­wer­bs­rechtlich zulässigAnzeigen verstoßen auch nicht gegen das Ordnungs­wid­rig­kei­ten­gesetz

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die wettbe­wer­bs­rechtliche Zulässigkeit von Kontaktanzeigen Prostituierter in Zeitungen zu entscheiden.

Die Kläger, die eine Bar betreiben, in der Prostituierten und deren Kunden sexuelle Kontakte ermöglicht werden, wenden sich gegen die Veröf­fent­lichung von Inseraten in verschiedenen Zeitungen. Sie beanstanden, dass die veröf­fent­lichten Anzeigen eine unzulässige Werbung für Prostitution enthalten. Die Unlauterkeit der Werbung ergebe sich aus einem Verstoß gegen §§ 119, 120 Ordnungs­wid­rig­kei­ten­gesetz (OWiG). Die Kläger haben die Herausgeber der Zeitungen auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Berufungs­gericht hat die die Klagen abweisenden Urteile des Landgerichts bestätigt. Die Revision blieb ohne Erfolg.

Der Bundes­ge­richtshof hat allerdings ein konkretes Wettbe­wer­bs­ver­hältnis zwischen den Klägern und den Anzeigenkunden der Zeitungsverlage bejaht, weil die Inserenten versuchen, gleichartige Dienst­leis­tungen wie die Kläger innerhalb derselben Abnehmerkreise abzusetzen, so dass das beanstandete Wettbe­wer­bs­ver­halten die Kläger im Absatz ihrer Dienst­leis­tungen stören kann.

Den gegen die Veröf­fent­lichung der Anzeigen gerichteten Unter­las­sungs­an­spruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit §§ 119, 120 OWiG hat der Bundes­ge­richtshof jedoch verneint.

Nach § 119 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer öffentlich in einer Weise, die geeignet ist, andere zu belästigen, oder in grob anstößiger Weise durch Verbreiten von Schriften Gelegenheit zu sexuellen Handlungen ankündigt. Gegen § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verstößt, wer durch das Verbreiten von Schriften Gelegenheit zu entgelt-lichen sexuellen Handlungen ankündigt. Diese Vorschriften sind gesetzliche Bestimmungen, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ein Verstoß gegen §§ 119, 120 OWiG kann daher einen gegen die Veröf­fent­lichung der Anzeigen gerichteten Unter­las­sungs­an­spruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG begründen.

In den zur Entscheidung stehenden Fällen hat der Bundes­ge­richtshof keinen Verstoß gegen §§ 119, 120 OWiG angenommen. Die angegriffenen Anzeigen waren weder belästigend noch grob anstößig i.S. von § 119 Abs. 1 OWiG.

Für § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG reicht allein eine Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen nicht aus. Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prosti­tu­ti­o­ns­gesetz hat der Gesetzgeber einem Wandel der Stellung der Prostituierten in der Gesellschaft auch in rechtlicher Hinsicht Rechnung getragen. Danach sind die Ausübung der Prostitution und damit in Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte nicht mehr als schlechthin sittenwidrig anzusehen. Dieses gewandelte Verständnis ist bei der Auslegung des § 120 OWiG zu berücksichtigen. Die Bestimmung kann nicht mehr im Sinne eines generellen Verbots jeglicher Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen angewendet werden. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete Beein­träch­tigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, namentlich des Jugendschutzes. Die angegriffenen Zeitungs­an­zeigen geben insoweit keinen Anlass zu besonderen Beanstandungen.

Erläuterungen

Vorinstanzen

LG Bielefeld - Urteile

vom 01.04.2003 - 15 O 52/03

vom 30.04.2003 - 16 O 3/03

vom 21.09.2004 - 11 O 49/04

OLG Hamm - Urteile

vom 09.09.2003 - 4 U 63/03

vom 09.10.2003 - 4 U 70/03

vom 24.02.2005 - 4 U 173/04

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 103/06 des BGH vom 13.07.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil2681

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI