14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.

Dokument-Nr. 7651

Drucken
Urteil26.03.2009BundesgerichtshofI ZR 213/06 - Sortis
Vorinstanzen:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil22.06.2006, 14 O 70/05
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil29.11.2006, 6 U 140/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.03.2009

BGH: Pfizer durfte den eigenen Standpunkt zur Festbe­trags­re­gelung in öffentlichen Anzeigen verteidigenKein Verstoß gegen Werbeverbot für Arzneimittel

Der Bundes­ge­richtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob die Benennung eines Arzneimittels im Rahmen einer öffentlichen Ausein­an­der­setzung über die Festsetzung eines Festbetrags für dieses Arzneimittel gegen Werbeverbote des Heilmit­tel­wer­be­ge­setzes verstößt.

Beklagte war das Pharma­un­ter­nehmen Pfizer Pharma GmbH. Pfizer vertreibt das verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel "Sortis", mit dessen Hilfe ein zu hoher Choles­te­r­in­spiegel im Blut gesenkt werden kann. Für dieses Arzneimittel wurde von den zuständigen Stellen im Juli 2004 ein Festbetrag festgesetzt. Die Beklagte beanstandete die Festsetzung mit der Begründung, ihr Präparat "Sortis" erfülle die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Festbe­trags­katalog nicht, weil es in seiner therapeutischen Wirkung mit anderen Präparaten nicht austauschbar sei. Pfizer lehnte es in der Folgezeit ab, den Abgabepreis für "Sortis" auf den von den Krankenkassen zu erstattenden Festbetrag abzusenken. Daraufhin wurde ihr u.a. vom Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­terium vorgeworfen, sie handele aus Profitsucht und ethisch verwerflich, weil sie die Patienten verunsichere. In der überregionalen Tagespresse wurde darüber u.a. unter Überschriften wie "Regierung: Pfizer handelt unethisch/Machtkampf um Pharmapreise/Ärzte sollen andere Präparate verordnen" berichtet. Pfizer reagierte mit einer ganzseitigen Zeitungsanzeige mit dem Titel "Können Kassenpatienten wirklich auf Sortis verzichten?". Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, hält dies für eine Werbung, die gegen Vorschriften des Heilmit­tel­wer­be­ge­setzes (HWG), insbesondere gegen das Verbot der Publi­kums­werbung nach § 10 Abs. 1 HWG und gegen die Pflicht zum Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG verstößt.

Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der Werbung stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die Beklagte lediglich wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG mit der Begründung verurteilt, der am Rand der Anzeige gegen die Leserichtung angebrachte Pflichthinweis auf die Risiken und Nebenwirkungen sei nicht gut lesbar im Sinne dieser Vorschrift. Hinsichtlich des Verstoßes gegen andere Vorschriften des HWG, insbesondere gegen das Verbot der Publi­kums­werbung, könne sich die Beklagte auf ihr Grundrecht der Meinungs­freiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil bestätigt und die Rechtsmittel beider Parteien zurückgewiesen. Bei der Anzeige der Beklagten handele es sich zwar um Werbung für ein Arzneimittel, so dass die Werbeverbote des Heilmit­tel­wer­be­ge­setzes an sich zur Anwendung kämen. Die Beklagte habe jedoch nach der für sie negativen Publizität ihren Standpunkt in der öffentlichen Diskussion um die Festsetzung des Festbetrags für ihr Arzneimittel grundsätzlich auch in der Form einer ganzseitigen Zeitungsanzeige äußern dürfen. Zu diesem Zweck habe sie ihr Arzneimittel und seine Anwen­dungs­gebiete benennen und es mit Konkur­renz­pro­dukten vergleichen dürfen, um auf diese Weise ihre Auffassung darzulegen, die gesetzliche Festbe­trags­re­gelung erfasse ihr Arzneimittel nicht. Der Bundes­ge­richtshof hat daher in Übereinstimmung mit dem Berufungs­gericht eine unzulässige Publi­kums­werbung im Hinblick auf das Recht der Beklagten auf Meinungs­freiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verneint. Dagegen sei der Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte wäre in ihrem Recht auf Meinungs­freiheit nicht unzumutbar beeinträchtigt gewesen, wenn sie den Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen gut lesbar angebracht hätte.

Auszug aus dem Gesetz

§ 4 Abs. 3 Satz 1 HWG Bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise ist der Text "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben. § 10 Abs. 1 HWG Für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 64/2009 des BGH vom 26.03.2009

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7651

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI