18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 8123

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Urteil09.07.2009BundesgerichtshofI ZR 13/07 - Brillenversorgung
Vorinstanzen:
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil12.12.2006, 13 U 118/06
  • Landgericht Hannover, Urteil16.05.2006, 26 O 130/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.07.2009

BGH: Keine Zusammenarbeit zwischen Augenarzt und OptikerAnpassung und Abgabe einer Brille nicht Bestandteil ärztlicher Therapie

Ein Augenarzt darf in seiner Praxis nicht in Zusammenarbeit mit einem Optiker Brillen anbieten und anpassen, da dies nicht Bestandteil einer ärztlichen Therapie sei. Auch eine Bequemlichkeit der Patienten so alle Leistungen aus einer Hand beziehen zu können, sei kein die Vorgehensweise recht­fer­ti­gender Grund. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Zulässigkeit einer Zusammenarbeit zwischen einem Augenarzt aus der Region Hannover und einem Optiker aus dem Großraum Düsseldorf zu entscheiden. Der beklagte Augenarzt bietet Patienten an, sich in seiner Praxis unter ca. 60 Muster­bril­len­fas­sungen des Optikers eine Fassung auszusuchen. Der Beklagte übermittelt dann seine Messergebnisse und die Brillen­ver­ordnung dem Optiker, der die fertige Brille entweder direkt an den Patienten oder auf dessen Wunsch in die Praxis des Beklagten liefert. Dort wird der Sitz der Brille kontrolliert und ggf. korrigiert. Der Beklagte hat vorgetragen, er biete die Brillen­ver­mittlung nur in Ausnahmefällen alten, gehbehinderten oder solchen Patienten an, die an bestimmten Erkrankungen litten oder schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Optikern gemacht hätten.

Verstoß gegen ärztliche Berufsordnung

Nach Ansicht der Klägerin, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, verstößt der Beklagte mit diesem Verhalten gegen § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 der ärztlichen Berufsordnung (BOÄ). Das Landgericht Hannover hatte der Unter­las­sungsklage stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht Celle hatte sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin war teilweise erfolgreich und führte zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht.

Kein generelles Verbot, Patienten an bestimmte Optiker zu verweisen

§ 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 BOÄ sind Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen, deren Verletzung auch wettbe­wer­bs­rechtliche Unter­las­sungs­ansprüche begründen kann. Die Klägerin kann dem Beklagten allerdings nicht allgemein verbieten, Patienten an einen bestimmten Optiker zu verweisen oder von diesem angefertigte Brillen in seiner Praxis anzupassen und abzugeben. Denn § 34 Abs. 5 BOÄ gestattet die Verweisung, wenn dafür ein hinreichender (nicht notwendig medizinischer) Grund besteht. Nach § 3 Abs. 2 BOÄ ist die Anpassung und Abgabe einer Brille durch einen Augenarzt zulässig, wenn sie notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist.

BGH: Herstellung von Gläsern, die von der Verordnung abweichen, kann anderweitig verhindert werden

Das Berufungs­gericht hatte angenommen, es liege darin ein hinreichender Grund für die Verweisung eines Patienten an einen weit entfernten Optiker, dass Optiker die Sehschärfe selbst bestimmen und die dann angefertigte Brille von der Brillen­ver­ordnung abweichen kann. Nach dieser Ansicht könnten Augenärzte Patienten unbeschränkt an bestimmte Optiker verweisen. Der BGH ist dem nicht gefolgt. Der Augenarzt kann auf andere Weise verhindern, dass der Optiker Brillengläser herstellt, die in der Stärke von der ärztlichen Versorgung abweichen. Folge man dem Oberlan­des­gericht, komme dem Verwei­sungs­verbot überhaupt keine Bedeutung mehr zu, weil die Möglichkeit niemals ausgeschlossen werden könne, dass der Optiker von der Verordnung abweichende Gläser herstellt.

Leistungen "aus einer Hand" zu beziehen, ist kein ausreichender Grund

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass bereits die von dem Beklagten vorgelegten Erklärungen seiner Patienten keine hinreichenden Gründe für eine Verweisung an einen bestimmten Optiker erkennen ließen. Danach finden es die meisten Patienten lediglich bequemer, alle Leistungen "aus einer Hand" zu erhalten. Soweit sich einzelne Patienten auf schlechte Erfahrungen mit einem örtlichen Optiker berufen, wird nicht deutlich, weshalb nicht die Dienste anderer örtlicher Optiker in Anspruch genommen werden konnten.

Bequemlichkeit der Patienten führt nicht zu Bestandteil einer Therapie

Der BGH konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungs­ge­richts auch nicht annehmen, dass der Beklagte nur dann Brillen abgegeben und angepasst hat, wenn dies notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie i. S. von § 3 Abs. 2 BOÄ war. Auch insofern konnte die Klägerin auf die vom Beklagten vorgelegten Patien­ten­be­schei­ni­gungen verweisen, denen zu entnehmen ist, dass einzelne Patienten aus Bequemlichkeit alle Leistungen aus einer Hand erhalten möchten. Dies macht die Anpassung und Abgabe der Brille noch nicht zum Bestandteil ärztlicher Therapie.

Da das Berufungs­gericht zu diesem Partei­vor­bringen noch keine Feststellungen getroffen hat, wurde die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

§ 3 Abs. 2 BOÄ der Ärztekammer Niedersachen

Erläuterungen
Dem Arzt ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienst­leis­tungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind.

§ 34 Abs. 5 BOÄ der Ärztekammer Niedersachsen

Dem Arzt ist nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesund­heit­lichen Leistungen zu verweisen.

Quelle: ra-online, BGH

der Leitsatz

UWG § 4 Nr. 11; Richtlinie über unlautere Geschäft­s­praktiken Art. 3 Abs. 8; MBO-Ä 1997 Kap. B § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5

Allein der Wunsch des Patienten, sämtliche Leistungen aus einer Hand zu erhalten, reicht nicht aus, um eine Verweisung an einen bestimmten Optiker sowie eine Abgabe und Anpassung der Brille durch den Augenarzt zu rechtfertigen.

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