14.11.2024
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Dokument-Nr. 5750

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Urteil25.02.1999BundesgerichtshofI ZR 118/96 - Kopienversanddienst
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Bundesgerichtshof Urteil25.02.1999

Urheber­rechtliche Zulässigkeit des Kopienversands öffentlicher Bibliotheken

Eine öffentliche Bibliothek, die auf Einzel­be­stellung Verviel­fäl­ti­gungen einzelner Zeitschrif­ten­beiträge fertigt, um sie an den Besteller im Wege des Post- oder Faxversands zu übermitteln, verletzt nicht das Verviel­fäl­ti­gungsrecht, wenn sich der Besteller auf einen durch § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Bibliothek ihre Bestände durch einen online zugänglichen Katalog erschließt und für ihren Kopien­ver­sand­dienst weltweit wirbt. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofes hatte auf Klage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. gegen das Land Niedersachsen (als Träger der Technischen Infor­ma­ti­o­ns­bi­bliothek Hannover (TIB)) über die Frage zu entscheiden, ob eine öffentliche Bibliothek Urheberrechte verletzt, wenn sie auf Einzel­be­stellung gegen Bezahlung Kopien urheber­rechtlich geschützter Zeitschrif­ten­beiträge herstellt und an den Auftraggeber mittels Telefax oder mit der Post übersendet. Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob eine öffentliche Bibliothek ohne Zustimmung der Urheber Zeitschrif­ten­beiträge in eine Datenbank einspeichern und auf Online-Abruf an Nutzer übertragen darf oder für Auftraggeber nach vorherigen Recher­che­dienst­leis­tungen Kopien herstellen darf (zu letzterer Fallgestaltung vgl. BGHZ 134, 250 - CB-infobank I).

Die TIB sammelt im Verbund mit der Univer­si­täts­bi­bliothek Hannover technische und natur­wis­sen­schaftliche Literatur aus aller Welt. Auf Anforderung stellt sie Kopien von Zeitschrif­ten­bei­trägen her, die sie den Bestellern durch Telefax oder mit der Post übermittelt. Die TIB unterhält einen über das Internet zugänglichen Katalog ihrer Bestände; Bestellungen sind auch online möglich. Für ihre Dienst­leis­tungen wirbt die TIB weltweit.

Nach Ansicht des Klägers verletzt die TIB mit ihrem Bestellservice bei urheber­rechtlich geschützter Literatur die Verviel­fäl­tigungs- und Verbrei­tungs­rechte der Urheber­be­rech­tigten. Er hat aus abgetretenem Recht verschiedener Zeitschrif­ten­verlage und deren Autoren (insbesondere auf Unterlassung und Schadensersatz) geklagt und geltend gemacht, die Praxis öffentlicher Bibliotheken, in größtem Umfang Aufsatzkopien zu versenden, bedrohe das Verlagsgeschäft mit Fachzeit­schriften. Mit dem Kopienversand werde den Verlagen durch Ausbeutung ihrer Leistung in wettbe­wer­bs­rechtlich unlauterer Weise Konkurrenz gemacht.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, die TIB handele beim Kopienversand nur im Auftrag der Besteller; die Herstellung der Verviel­fäl­ti­gungen von Zeitschrif­ten­bei­trägen sei daher nach § 53 UrhG zulässig, welche Vorschrift Verviel­fäl­ti­gungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch von dem Erfordernis einer Zustimmung des Urhebers freistellt.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Nach Ansicht des I. Zivilsenats des Bundes­ge­richtshofs ergibt sich aus der Zweckbestimmung des § 53 UrhG, die insbesondere durch die Geset­zes­ge­schichte der Vorschrift verdeutlicht wird, daß der Gesetzgeber den Kopien­ver­sand­dienst öffentlicher Bibliotheken wegen der überragenden Bedeutung, die der freie Zugang zu Fachin­for­ma­tionen für die Allgemeinheit hat, nicht von einem Zustim­mungsrecht der Urheber­be­rech­tigten abhängig machen wollte. Dementsprechend war der Unter­las­sungs­antrag abzuweisen.

Seit der Entscheidung des Gesetzgebers haben sich allerdings die Verhältnisse grundlegend verändert. Der Kopienversand kann heute nicht mehr lediglich als eine dem Verlagsgeschäft nachfolgende Werknutzung von vergleichsweise geringerer Bedeutung angesehen werden. Das Internet ermöglicht einem Massenpublikum - zunehmend unabhängig von Ort und Zeit -, Datenbanken zur Litera­tur­re­cherche zu benutzen und online Kopien auch von neuesten Zeitschrif­ten­bei­trägen zu bestellen. Mit Hilfe von Telefaxgeräten können solche Bestellungen in kürzester Zeit abgewickelt werden. Angesichts dieser Steigerung der Zugriffs­mög­lich­keiten auf Zeitschrif­ten­beiträge unabhängig vom Verlagsvertrieb gebieten es nunmehr der Schutz des Urheberrechts als geistiges Eigentum (Art. 14 GG) sowie die Vorschriften der internationalen Urheber­rechts­ab­kommen (Revidierte Berner Übereinkunft und TRIPS-Abkommen), den Urhebern einen Anspruch auf angemessene Vergütung als Ausgleich für die Freistellung des Kopienversands vom Verbotsrecht durch § 53 UrhG zuzugestehen. Die Einschränkung des Ausschließ­lich­keits­rechts durch diese Vorschrift ist dagegen nach wie vor zu beachten, weil die Gründe, auf die der Gesetzgeber abgestellt hat, unverändert fortbestehen.

Die durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung entstandene Gesetzeslücke ist dadurch zu schließen, daß - in Anwendung des Rechtsgedankens, der in den Vorschriften des § 27 UrhG (sog. Biblio­thek­s­tantieme), des § 49 UrhG (Pressespiegel) und des § 54 UrhG (Betrei­ber­ver­gütung) zum Ausdruck gekommen ist - beim Kopienversand auf Einzel­be­stellung durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung ein Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung gegen diese anzuerkennen ist. Da eine solche Forderung nur durch eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft geltend gemacht werden kann, blieb der Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung für die Nutzung der Zeitschrif­ten­beiträge, an denen er Rechte geltend gemacht hat, ebenfalls ohne Erfolg.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16 des BGH vom 26.02.1999

der Leitsatz

a) Eine öffentliche Bibliothek, die auf Einzel­be­stellung Verviel­fäl­ti­gungen einzelner Zeitschrif­ten­beiträge fertigt, um sie an den Besteller im Wege des Post- oder Faxversands zu übermitteln, verletzt nicht das Verviel­fäl­ti­gungsrecht, wenn sich der Besteller auf einen durch § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Bibliothek ihre Bestände durch einen online zugänglichen Katalog erschließt und für ihren Kopien­ver­sand­dienst weltweit wirbt.

b) Werden Zeitschrif­ten­beiträge unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG rechtmäßig von einem Dritten vervielfältigt, unterliegt die Übermittlung der Verviel­fäl­ti­gungs­stücke an den Auftraggeber nicht dem Verbrei­tungsrecht.

c) Die Werbung für die Herstellung von Verviel­fäl­ti­gungen und deren Post- oder Faxversand an Besteller, die sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen können, verletzt auch bei Fehlen der Zustimmung der Urheber­be­rech­tigten nicht das Verbrei­tungsrecht.

d) Bei einer repro­gra­phischen Verviel­fäl­tigung eines urheber­rechtlich geschützten Werkes durch eine öffentliche Bibliothek oder eine andere für die Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung zum Zweck des Post- oder Faxversands an einen Besteller, der sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen kann, ist – in rechtsanaloger Anwendung des § 27 Abs. 2 und 3 UrhG, des § 49 Abs. 1 UrhG sowie des § 54 a Abs. 2 i.V. mit § 54 h Abs. 1 UrhG - als Ausgleich für den Ausschluß des Verbotsrechts ein Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung anzuerkennen, der nur durch eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft geltend gemacht werden kann.

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