18.10.2024
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Dokument-Nr. 11236

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Bundesgerichtshof Urteil21.11.1980

Wissen­schaftliche Arbeiten sind gegenüber Werken auf dem gleichen Forschungs­gebiet nur begrenzt urheber­rechtlich geschütztGliederung und Fachsprache sind durch Forschungs­ge­genstand vorgegeben - urheber­recht­licher Schutzumfang ist eng zu bemessen

Der Bundes­ge­richtshof hat dem Urheber­rechts­schutz einer Staats­ex­amens­arbeit und damit wissen­schaft­lichen Arbeiten im allgemeinen Grenzen gesetzt. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger Ansprüche wegen angeblicher Verletzung des Urheberrechts an seiner Staats­ex­amens­arbeit "Bau und Gewebe einiger Calamiten aus dem Namur C Westfalens" geltend gemacht. Er verklagte den Autor eines Aufsatzes zum gleichen Forschungs­ge­genstand sowie den Herausgeber der Fachzeitschrift, in der der Aufsatz veröffentlicht wurde.

Der Kläger war der Ansicht, bei dem Aufsatz des beklagten Forscher­kollegen handele es sich um ein Plagiat seiner Staats­ex­amens­arbeit. Denn der Aufsatz sei mit seiner Arbeit vom wissen­schaft­lichen Gehalt und Inhalt her identisch. Der Beklagte habe die vom Kläger geleistete wissen­schaftliche Vorarbeit der Präparation einfach übernommen. Wesentliche Gemeinsamkeit sei ferner die Aufstellung einer neuen Spezies. Der Beklagte habe diese an denselben wissen­schaft­lichen Kriterien aufgezeigt wie vorher der Kläger. Auch das von ihm erarbeitete neue Material habe der Beklagte lediglich neu fotografiert. Allerdings bestehe auch bei den Fotos eine weitgehende Übereinstimmung im Bildgegenstand. Für die plagiatorische Übernahme seiner eigen­schöp­fe­rischen Leistung sei der Herausgeber der Zeitschrift mit haftbar.

Verfahrensgang

Das Landgericht gab der Klage teilweise statt und stellte fest, dass der veröffentlichte Aufsatz ein Plagiat des Klägers sei. Das Berufungs­gericht hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Der Bundes­ge­richtshof (BGH) bestätigte schließlich die Klageabweisung in der Revision.

Art und Form der Darstellung, nicht aber wissen­schaft­liches Ergebnis einer Forschungs­arbeit ist urheber­rechtlich geschützt

Der BGH führte zunächst aus, dass die Staats­ex­amens­arbeit hinsichtlich Gliederung, Gestaltung und Darstellung im allgemeinen urheber­rechts­schutzfähig sei. Die für die Arbeit hergestellten Präparate hingegen seien nicht urheber­rechtlich geschützt, da diese Arbeiten nicht das Schriftwerk seien. Auch die Aufnahme der Arbeits­er­gebnisse der Arbeiten in ein Schriftwerk könne nur für die Art und Form der Darstellung, dagegen nicht für das wissen­schaftliche Ergebnis als solches Urheber­rechts­schutz begründen.

Identische Beobachtungen bei identischem Forschungs­ma­terial sind zwangsläufig

Der Umstand aber, dass ein nach Umfang und inhaltlicher Bedeutung erheblicher Teil der Arbeit des Klägers im Aufsatz des Beklagten in abgewandelter Form inhaltlich übernommen worden sei, führe noch nicht zur Feststellung einer unzulässigen Benutzung der Arbeit des Klägers. Denn soweit diese Überein­stim­mungen nicht ohnehin auf der Tatsache beruhten, dass beiden Arbeiten dasselbe wissen­schaftliche Forschungs­ma­terial zugrunde gelegen habe und von daher dieselben Beobachtungen und Feststellungen in gewissem Grade zwangsläufig seien, sei erforderlich, dass das Entlehnte, um den Anforderungen des Urheberrechts zu genügen, eine eigen­per­sönliche Prägung des Klägers aufweise. Dies sei aber nicht der Fall.

Übernommene Textstellen beruhten nicht auf eigen­schöp­fe­rischen Formulierungen

Der Beklagte habe keine Teile des Werkes des Klägers, die eine schöpferische Eigenart aufweisen würden, unzuläs­si­gerweise entlehnt. Denn bei gleichem Material und Thema und damit gleicher Fachsprache und neben den wissen­schaft­lichen Ergebnissen, für die kein Urheber­rechts­schutz in Betracht komme, seien hinsichtlich der entnommenen Stellen eigen­schöp­fe­rische Formulierungen des Klägers, die allein einen Urheber­rechts­schutz begründen können, nicht festzustellen.

Beschreibungen ohne eigen­per­sönliche Prägung sind nicht geschützt

Dabei sei von besonderer Bedeutung, dass es sich bei den angeführten Anlehnungen im wesentlichen um solche Textstellen handele, in denen die aufgefundene Spezies beschrieben werde, sich also zwangsläufig aus dem gleichen Gegenstand der Beschreibung Überein­stim­mungen ergeben. Es komme ferner darauf an, ob jede einzelne der entlehnten Stellen für sich Urheber­rechts­schutz genieße, also eine eigen­per­sönliche Prägung aufweise. Der Kläger behaupte nämlich selbst nicht, dass der Beklagte seine Arbeit vollständig und identisch von dem Beklagten übernommen habe.

Bei Arbeiten mit gleichem Forschungs­ge­genstand ist der urheber­rechtliche Schutzumfang eng zu bemessen

Bei dieser Sachlage bleibe nur ein verhältnismäßig geringer Freiraum für eine eigen­schöp­fe­rische Darstellung und Formulierung. Wenn die Möglichkeit einer nochmaligen wissen­schaft­lichen Beschreibung eines bestimmten Forschungs­ge­gen­stands unzumutbar erschwert werden solle, so müsse in Fällen der vorliegenden Art der urheber­rechtliche Schutzumfang einer wissen­schaft­lichen Arbeit gegenüber einer zweiten Arbeit, die sich mit der Untersuchung und Beschreibung derselben Kalamitenart befasse und daher zwangsläufig in gewissem Umfang zu denselben Beobachtungen und Feststellungen kommen müsse, mit Rücksicht auf denselben Forschungs­ge­genstand und die dadurch vorgegebene Gliederung und Fachsprache eng bemessen werden.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

der Leitsatz

UrhG §§ 2 Nr. 1, 23, 24, 97

Der urheber­rechtliche Schutzumfang einer wissen­schaft­lichen Arbeit gegenüber einer zweiten Arbeit, die sich mit der Untersuchung und Beschreibung derselben Kalamitenart befasst und daher zwangsläufig in gewissem Umfang zu denselben Beobachtungen und Feststellungen kommen muss, ist mit Rücksicht auf denselben Forschungs­ge­genstand und die dadurch vorgegebene Gliederung und Fachsprache eng zu bemessen.

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