18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 31075

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Urteil18.11.2021BundesgerichtshofI ZR 106/20
Vorinstanzen:
  • Landgericht Essen, Urteil19.05.2019, 45 O 72/18
  • , Urteil28.05.2020, I-4 U 82/19
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.11.2021

Mieterbindung an einen vom Vermieter bereit­ge­stellten Kabelanschluss verstößt nach geltender Rechtslage nicht gegen das Tele­kommunikations­gesetzMieterbindung an bereit­ge­stellten Kabelanschluss derzeit noch zulässig

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass in Mietverträgen über Wohnraum vereinbart werden darf, dass der Mieter für die gesamte Dauer des Mietver­hält­nisses an einen vom Vermieter zur Verfügung gestellten kosten­pflichtigen Breit­band­kabel­anschluss gebunden ist.

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen, von denen etwa 108.000 an ein Kabel­fern­sehnetz angeschlossen sind, über das Fernseh- und Hörfunk­pro­gramme übertragen werden und das auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden kann. Das Entgelt, das die Beklagte für die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunk­pro­grammen über das Kabelnetz zahlt, legt sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter besteht nach den Mietverträgen keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietver­hält­nisses die Versorgung ihrer Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Klägerin rügt wettbe­wer­bs­widrigen Verstoß gegen TKG

Die Klägerin sieht einen wettbe­wer­bs­widrigen Verstoß gegen § 43 b TKG darin, dass die Mietverträge keine Regelung enthalten, nach der die kosten­pflichtige Bereitstellung eines Kabel­an­schlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar ist, und die Beklagte nicht den Abschluss von Mietverträgen anbietet, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Vorinstanz hielt TKG für nicht anwendbar

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unter­las­sungs­an­spruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3 a UWG in Verbindung mit § 43 b TKG zu. Die Vorschrift des § 43 b TKG sei im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern nicht anwendbar, weil das Angebot der Beklagten nicht im Sinne dieser Vorschrift öffentlich zugänglich sei.

BGH: TKG anwendbar

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte hat durch die Bindung ihrer Mieter an den von ihr zur Verfügung gestellten kosten­pflichtigen Kabel-TV-Anschluss nicht gegen § 43 b TKG verstoßen. Mit der Bereitstellung der Kabel-TV-Anschlüsse erbringt die Beklagte allerdings einen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG. Sie stellt ihren Mietern damit einen Dienst zur Verfügung, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen besteht. Der von der Beklagten angebotene Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst ist angesichts der großen Anzahl der von der Beklagten vermieteten und mit einem Kabel-TV-Anschluss ausgestatteten Wohnungen - entgegen der Ansicht des Oberlan­des­ge­richts - auch im Sinne von § 3 Nr. 17a TKG öffentlich zugänglich.

Vereinbarte Mindestlaufzeit nicht zu beanstanden

In den von der Beklagten mit ihren Mietern geschlossenen Mietverträgen ist jedoch keine 24 Monate überschreitende Mindestlaufzeit vereinbart (§ 43 b Satz 1 TKG). Die Beklagte verwehrt ihren Mietern auch nicht den Abschluss von Mietverträgen mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten (§ 43 b Satz 2 TKG). Die Mietverträge werden von der Beklagten vielmehr auf unbestimmte Zeit geschlossen und können von den Mietern - entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB - bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 43 b TKG auf die von der Beklagten geschlossenen Mietverträge scheidet daher aus. Eine entsprechende Anwendung von § 43 b TKG im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern kommt nicht in Betracht. Aus der Entste­hungs­ge­schichte der maßgeblichen Regelungen geht hervor, dass der Gesetzgeber große Wohnungs­bau­ge­sell­schaften, die mit Kabel-TV-Anschlüssen ausgestattete Wohnungen vermieten und die Kosten des Kabel­an­schlusses als Betriebskosten auf die Mieter umlegen, nicht in den Geltungsbereich des § 43 b TKG einbeziehen wollte.

Neuregelung ist nach der Überg­angs­vor­schrift erst ab 2024 anwendbar

Das ergibt sich auch aus der bevorstehenden Änderung des Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­ge­setzes. Nach der ab dem 1. Dezember 2021 geltenden Neuregelung in § 71 Abs. 1 Satz 1 und 3 TKG können Verbraucher zwar die Inanspruchnahme von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­diensten im Rahmen eines Mietver­hält­nisses nach 24 Monaten beenden. Diese Neuregelung ist nach der Überg­angs­vor­schrift des § 230 Abs. 4 TKG aber erst ab dem 1. Juli 2024 anwendbar, wenn die Gegenleistung - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich als Betriebskosten abgerechnet wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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