21.11.2024
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Dokument-Nr. 971

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Bundesgerichtshof Beschluss15.07.2005

Haftung für unberechtigte Verwarnungen aus Immate­ri­a­l­gü­ter­rechtenEntscheidung des Großes Senates für Zivilsachen

Der Bundes­ge­richtshof hatte aufgrund einer Vorlage des I. Zivilsenates über die Frage zu entscheiden, ob die unberechtigte Verwarnung aus Immate­ri­a­l­gü­ter­rechten wie einem Kennzeichen-, einem Patent-, Gebrauchsmuster- oder Geschmacks­mus­terrecht haftungs­rechtliche Folgen für den Verwarner auslösen kann.

In der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofes war anerkannt, dass die Verwarnung aus einem solchen Recht dann, wenn es nicht bestand oder keine hinreichende Grundlage für den geltend gemachten Unter­las­sungs­an­spruch bildete, zu Ersatzpflichten des Verwarners führen kann, wenn er vor der Verwarnung Bestand und Umfang seines Rechtes nicht mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt geprüft hatte.

Art und Umfang der Sorgfalts­pflichten werden nach dieser Rechtsprechung danach bestimmt, in welchem Umfang der Verwarner auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechtes vertrauen durfte. So darf er bei einem von der Prüfung durch eine Behörde abhängigen Recht wie dem Patent grundsätzlich auf dessen Bestand vertrauen. Eine Verwarnung aus einem ungeprüften Recht kann demgegenüber zu weiterer Prüfung Anlass geben.

Verwarnungen aus Immate­ri­a­l­gü­ter­rechten bilden für den Rechtsinhaber eine einfache Möglichkeit, sein Recht über dessen rechtlichen Rahmen hinaus faktisch auszuweiten, weil der Empfänger einer solchen Verwarnung vielfach deren Berechtigung kurzfristig nicht überprüfen kann. Insbesondere wenn sich die Verwarnung an einen Abnehmer richtet, wird er zudem wegen der im Markt bestehenden Ausweich­mög­lich­keiten auf Produkte anderer Anbieter wie des Rechtsinhabers und seiner Lizenznehmer einer mit erheblichen Kosten und Risiken verbundenen Ausein­an­der­setzung über Bestand und Inhalt des Immate­ri­a­l­gü­ter­rechts aus dem Wege gehen. In gleicher Weise kann auch der Hersteller oder Lieferant durch die wirtschaft­lichen Folgen einer solchen Ausein­an­der­setzung von einer Verteidigung berechtigter Positionen abgehalten werden mit der Folge einer faktischen Erstreckung des Schutzes aus dem Recht in Bereiche, die der Rechtsinhaber rechtlich nicht beanspruchen kann.

Der Große Senat für Zivilsachen hat entschieden, dass die Aufgabe dieser Grundsätze nicht geboten sei. Hinsichtlich der Gründe, die schon das Reichsgericht bewogen hätten, im Interesse eines funkti­o­nie­renden Wettbewerbs den Verwarner mit Hilfe einer Sanktion zu veranlassen, vor der Aufforderung zur Unterlassung die Bestands­fä­higkeit seines Rechtes und die Frage zu prüfen, ob und in welchem Umfang es eine hinreichende Grundlage für sein Begehren bilde, sei eine Änderung nicht eingetreten. Die vorgerichtliche Verwarnung könne nach Gegenstand und Interessenlage auch nicht mit der Klage gleichgesetzt werden; dass für deren Erhebung auch bei fehlender Berechtigung nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofes delikts­rechtlich grundsätzlich nicht einzustehen sei, lasse sich wegen der andersartigen Verhältnisse nicht auf die unberechtigte Verwarnung übertragen.

Wegen der von einer Verwarnung aus Immate­ri­a­l­gü­ter­rechten ausgehenden Gefahr für Wirtschaft und Wettbewerb bedürfe es weiterhin einer Sanktion in Form einer Haftungsfolge für unberechtigte Verwarnungen, die den Schutz­rechts­inhaber anhalte, vor einer Unter­las­sungs­auf­for­derung die gebotenen, von ihm zu erwartenden und ihm zumutbaren Prüfungen zur Berechtigung seines Verlangens vorzunehmen. Auf diese Weise würden der Schutz der geistigen Leistung einerseits und die Freiheit des Wettbewerbs andererseits, die durch die Grenzen des Schutzbereichs objektiv voneinander abgegrenzt werden, auch hinsichtlich der Mittel ihrer Durchsetzung und der Haftung für die Überschreitung dieser Grenzen ins Gleichgewicht gebracht.

Vorinstanzen: LG Düsseldorf - 4 O 217/98; OLG Düsseldorf - 2 U 33/01; BGH - I ZR 98/02

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2005 - bearbeitet von der ra-online Redaktion

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