18.10.2024
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Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.

Dokument-Nr. 11882

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Beschluss28.06.2011BundesgerichtshofEnVR 34/10, EnVR 48/10
Vorinstanz zu EnVR 34/10:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss24.03.2010, VI-3 Kart 166/09 (V)
Vorinstanz zu EnVR 48/10:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss24.03.2010, VI-3 Kart 200/09 (V)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss28.06.2011

BGH entscheidet erstmals zur Anrei­z­re­gu­lie­rungs­ver­ordnungBundes­netz­agentur muss in einigen Punkten über Anträge der Netzbetreiber neu entscheiden

Der Bundes­ge­richtshof musste sich mit der Regulierung der Entgelte für die Durchleitung von Elektrizität durch fremde Stromnetze ausein­an­der­setzen und konnte dabei Wesentliche Fragen der Anrei­z­re­gu­lie­rungs­ver­ordnung klären.

In den vorliegenden Fällen bilden die Regelungen der der §§ 20 ff. EnWG den rechtlichen Hintergrund der Verfahren. Danach müssen Betreiber von Energie­ver­sor­gungs­netzen grundsätzlich jedermann Netzzugang gewähren, können hierfür aber ein Entgelt verlangen, dessen Höhe der Regulierung durch die Bundesnetzagentur oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden unterliegt.

Durch Anrei­z­re­gu­lierung sollen Anreize zur Senkung von Kosten geschaffen werden

Ab dem 1. Januar 2009 werden diese Entgelte im Wege der Anrei­z­re­gu­lierung bestimmt. Dies bedeutet, dass die Regulie­rungs­be­hörden nicht mehr ein bestimmtes Entgelt genehmigen, sondern den Netzbetreibern nur noch eine Obergrenze für die Gesamterlöse vorgeben. Wenn es den Netzbetreibern gelingt, ihre Kosten über die behördlichen Vorgaben hinaus zu reduzieren, dürfen sie daraus resultierende Gewinne behalten. Für die Netzbetreiber ergeben sich daraus Anreize zur Senkung der Kosten.

Meinungs­ver­schie­den­heiten über einzelne Vorschriften der Verordnung

In den nunmehr entschiedenen Fällen war es zu Meinungs­ver­schie­den­heiten zwischen der Bundes­netz­agentur und den Netzbetreibern darüber gekommen, wie einzelne Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung über die Bestimmung der Erlöso­ber­grenzen auszulegen sind.

BGH gibt Berechnungen der Bundes­nutz­agentur teilweise recht

Der Bundes­ge­richtshof hat die Berechnungen der Bundes­netz­agentur nur teilweise gebilligt und ihr im Übrigen aufgegeben, über die Anträge der Netzbetreiber in einigen Punkten neu zu entscheiden.

Bestätigt wurde die Berechnung des pauschalierten Inves­ti­ti­o­ns­zu­schlags nach § 25 ARegV in Höhe von jährlich 1 %; das Begehren der Netzbetreiber, diesen Zuschlag von Jahr zu Jahr ansteigen zu lassen (1 % für das erste Jahr, 2 % für das zweite Jahr usw.), ist erfolglos geblieben. Als zutreffend erachtet wurde auch die Höhe des angesetzten Zinssatzes für Fremdkapital.

Auch Netzbetreiber konnten sich teilweise durchsetzen

In anderen Punkten konnten sich dagegen die Netzbetreiber durchsetzen. Insbesondere ist bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus, für das gemäß § 6 Abs. 2 ARegV** das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Entgelt­ge­neh­migung heranzuziehen ist, die in der Zwischenzeit ergangene höchst­rich­terliche Rechtsprechung zu berücksichtigen, die einzelne Bestimmungen über die Kostenprüfung anders ausgelegt hat als die Regulie­rungs­be­hörden. Entsprechendes gilt bei der Berechnung des pauschalierten Inves­ti­ti­o­ns­zu­schlags nach § 25 ARegV*****. Einer Neuberechnung bedarf auch die Anpassung an die allgemeine Geldentwertung (Inflation). Hierbei darf es zwar berücksichtigt werden, wenn die Einstandspreise für Netzbetreiber eine andere Entwicklung nehmen als die Verbrau­cher­preise. Die nach § 9 Abs. 1 ARegV*** zusätzlich vorgesehene Berück­sich­tigung eines netzwirt­schaft­lichen Produk­ti­vi­täts­fort­s­chritts findet hingegen in der Verord­nungs­er­mäch­tigung des § 21 a EnWG keine gesetzliche Grundlage und ist daher unzulässig. Des Weiteren ist der Erwei­te­rungs­faktor entsprechend § 10 ARegV**** bereits im ersten Jahr der Regulie­rungs­periode zu berücksichtigen.

Anspruch auf Anpassung der Erlöseo­ber­grenzen im Härtefall bestätigt

Schließlich hat der Bundes­ge­richtshof die - von der Bundes­netz­agentur angegriffene - Rechts­auf­fassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Netzbetreiber im Rahmen der Härte­fa­ll­re­gelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV* einen Anspruch auf Anpassung der Erlöso­ber­grenzen haben können, wenn ihre Kosten nach dem für die Kostenprüfung maßgeblichen Jahr 2006 in unerwartetem Ausmaß gestiegen sind.

Erläuterungen
*§ 4 ARegV - Erlöso­ber­grenzen

(1) ...

(4) Auf Antrag des Netzbetreibers

1. ...

2. kann eine Anpassung der Erlösobergrenze erfolgen, wenn auf Grund des Eintritts eines unvor­her­sehbaren Ereignisses im Falle der Beibehaltung der Erlösobergrenze eine nicht zumutbare Härte für den Netzbetreiber entstehen würde.

**§ 6 ARegV - Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze

(1) ...

(2) Als Ausgangsniveau für die erste Regulie­rungs­periode ist das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23 a des Energie­wirt­schafts­ge­setzes vor Beginn der Anrei­z­re­gu­lierung, die auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 oder eines früheren Geschäftsjahres basiert, heranzuziehen.

***§ 9 ARegV - Genereller sektoraler Produk­ti­vi­täts­faktor

(1) Der generelle sektorale Produk­ti­vi­täts­faktor wird ermittelt aus der Abweichung des netzwirt­schaft­lichen Produk­ti­vi­täts­fort­s­chritts vom gesamt­wirt­schaft­lichen Produk­ti­vi­täts­fort­s­chritt und der gesamt­wirt­schaft­lichen Einstand­s­prei­s­ent­wicklung von der netzwirt­schaft­lichen Einstand­s­prei­s­ent­wicklung.

(2) ...

****§ 10 ARegV - Erwei­te­rungs­faktor

(1) Ändert sich während der Regulie­rungs­periode die Versor­gungs­aufgabe des Netzbetreibers nachhaltig, wird dies bei der Bestimmung der Erlösobergrenze durch einen Erwei­te­rungs­faktor berücksichtigt. Die Ermittlung des Erwei­te­rungs­faktors erfolgt nach der Formel in Anlage 2.

(2) ...

*****§ 25 ARegV - Pauschalierter Inves­ti­ti­o­ns­zu­schlag

(1) In die Erlösobergrenze ist vor Beginn der Regulie­rungs­periode bei der Festlegung nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 auf Verlangen des Netzbetreibers ein pauschalierter Investitionszuschlag nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 einzubeziehen.

(2) Der pauschalierte Inves­ti­ti­o­ns­zu­schlag darf pro Kalenderjahr 1 Prozent der nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 bestimmten Kapitalkosten nicht überschreiten.

(3) ...

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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