21.11.2024
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Dokument-Nr. 21955

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Urteil26.10.2015BundesgerichtshofAnwSt (R) 4/15
Vorinstanzen:
  • Anwaltsgericht Düsseldorf, Urteil17.03.2014, 3 EV 546/12
  • Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil07.11.2014, 2 AGH 9/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.10.2015

BGH: Rechtsanwalt darf Abgabe eines Empfangs­bekennt­nisses bei Zustellung von Anwalt zu Anwalt ablehnenKein Vorliegen eines berufswidrigen Verhaltens

Ein Rechtsanwalt ist berechtigt die Abgabe eines Empfangs­bekennt­nisses bei Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) abzulehnen. Dadurch verstößt er nicht gegen § 14 Satz 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) und verletzt damit auch nicht seine Berufspflicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall erhielt ein Rechtsanwalt im Juli 2012 im Rahmen eines wettbe­wer­bs­recht­lichen Eilverfahrens das gegen die von ihm vertretene Beklagte lautende Urteil des Landgerichts. Die Zustellung erfolgte vom gegnerischen Anwalt. Der Rechtsanwalt hielt es im Interesse seiner Mandantin für erforderlich, das verlangte Empfangsbekenntnis nicht abzugeben. Er weigerte sich daher nach Rücksprache mit der örtlich zuständigen Rechts­an­walts­kammer und seiner Mandantin bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken. Der gegnerische Rechtsanwalt hielt dies für berufswidrig. Seiner Meinung nach habe der Rechtsanwalt das Empfangs­be­kenntnis gemäß § 14 Satz 1 BORA abgeben müssen.

Anwaltsgericht und Anwalts­ge­richtshof verneinten Berufs­pflicht­ver­letzung

Sowohl das Anwaltsgericht Düsseldorf als auch der Anwalts­ge­richtshof Hamm sahen in der Verweigerung der Ausstellung des Empfangs­be­kennt­nisses keine Berufs­pflicht­ver­letzung. Der gegnerische Rechtsanwalt legte gegen diese Entscheidung Revision ein.

Bundes­ge­richtshof verneint ebenfalls Pflicht zur Abgabe des Empfangs­be­kennt­nisses

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und wies daher die Revision des gegnerischen Rechtsanwalts zurück. Der Rechtsanwalt habe das Empfangs­be­kenntnis nicht abgeben müssen. Zwar regele § 14 Satz 1 BORA die Pflicht zur Annahme des zustellenden Schriftstücks und zur unverzüglichen Erteilung des Empfangs­be­kennt­nisses für alle ordnungsgemäßen Zustellungen. Die Vorschrift sei vom Wortlaut auch auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO anwendbar. Für eine solche Anwendbarkeit sei aber eine ausdrückliche Ermäch­ti­gungs­grundlage erforderlich. Eine solche habe nicht vorgelegen.

Anwalt nicht gleichzusetzen mit Gericht oder Behörde

Als Ermäch­ti­gungs­grundlage für die Schaffung einer Berufspflicht des Anwalts, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken, komme nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs nicht § 59 b Abs. 2 Nr. 6 b) der Bundes­rechts­an­walts­ordnung (BRAO) in Betracht. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf "die besonderen Berufspflichten gegenüber Gerichten und Behörden", zu denen ein Anwalt nicht gehöre. Im Rahmen der Zustellung von Anwalt zu Anwalt trete er auch nicht als verlängerter Arm an die Stelle des Gerichts oder einer Behörde. Vielmehr bleibe er Vertreter seines Mandanten.

Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung aufgrund Einengung prozessualer Handlungs­mög­lich­keiten

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs komme als Ermäch­ti­gungs­grundlage auch nicht § 59 b Abs. 2 Nr. 8 BRAO in Betracht. Diese Norm betreffe zwar die kollegialen Pflichten der Rechtsanwälte, habe aber dennoch nicht ausgereicht. Vielmehr habe es einer eindeutigen Ermächtigung durch den Gesetzgeber bedurft, um die Mitwir­kungs­pflicht eines Anwalts bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt zu regeln. Denn dadurch werden die prozessualen Handlungs­mög­lich­keiten des Anwalts eingeschränkt. Im Rahmen der Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO sei der Rechtsanwalt aus Sicht der Bundesrichter nicht verpflichtet mitzuwirken. Er könne daher die Ausstellung des Empfangs­be­kennt­nisses verweigern. Sollte § 14 Satz 1 BORA nunmehr etwas anderes regeln, hätte es dafür eine ausdrückliche und klare gesetzliche Grundlage bedurft. Eine solche habe nicht vorgelegen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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