Dokument-Nr. 4295
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Bundesgerichtshof Beschluss16.05.2007
Werben für Terror-Organisation ist keine Unterstützung einer terroristischen VereinigungBundesgerichtshof zur Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen
Der allgemeine Aufruf, sich am Dschihad ("heiliger Krieg") oder an nicht näher bezeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, ist nicht wegen des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung strafbar. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die Richter änderten damit ihre bisherige Rechtssprechung. Dies war nötig geworden, weil der Gesetzgeber insbesondere mit dem 34. Strafrechtsänderungsgesetz die Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen eingeschränkt hatte.
Das Werben für Organisationen wie Al-Qaeda, die Rechtfertigung ihrer Ziele und die Verherrlichung der aus ihr heraus begangenen Straftaten sind nicht mehr als Unterstützen terroristischer Vereinigungen (§ 129 a Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 129 b StGB, Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) strafbar, sondern allenfalls als Werben um Mitglieder oder Unterstützer solcher Vereinigungen (§ 129 a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 129 b StGB, Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren). Das gilt unabhängig davon, wie menschenverachtend die Werbung in ihrer Ausgestaltung und wie nützlich sie in ihrer Wirkung für die Organisation sein mag.
Die beschränkte Strafbarkeit ist zwingende Folge von Änderungen der einschlägigen Strafvorschriften in den Jahren 2002 und 2003. Insbesondere mit dem 34. Strafrechtsänderungsgesetz hat der Gesetzgeber die Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen eingeschränkt. Während bis dahin neben der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (und in gleicher Weise wie diese) auch jede Art der Werbung für eine solche Organisation mit Strafe bedroht war, ist seitdem nur noch das Werben um Mitglieder oder Unterstützer strafbar. Erklärtes Ziel dieser Änderung war es, eine klarere Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals des Werbens zu erreichen und die Strafbarkeit solcher Tätigkeit auf Fälle zu beschränken, in denen auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit ein unabweisbares Strafbarkeitsbedürfnis besteht, insbesondere sollte die so genannte Sympathiewerbung von der Strafbarkeit ausgenommen werden.
In der Konsequenz dessen hat der 3. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Bundesgerichtshofs, der sich mit dieser Problematik nunmehr erstmals befassen musste, an seiner alten Rechtsprechung nicht festhalten können: Nach ihr war die Verbreitung einer Schrift, in der vergangene oder zukünftige Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung zustimmend dargestellt und kommentiert wurden, als tatbestandsmäßiges Unterstützen der jeweiligen Organisation zu bewerten. Das nach dem neuen Recht allein noch strafbare Werben um Mitglieder oder Unterstützer ist nur dann gegeben, wenn sich aus den Gesamtumständen der fraglichen Äußerung ergibt, dass gezielt Mitglieder oder Unterstützer gewonnen werden sollen – und dies zugunsten einer konkreten Organisation. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an nicht näher bezeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für den erforderlichen Organisationsbezug nicht aus. Dasselbe gilt für die Aufforderung, sich am Djihad zu beteiligen.
Vor dem Hintergrund dieser geänderten Rechtslage hatte der 3. Strafsenat in einem vom Generalbundesanwalt betriebenen Ermittlungsverfahren nunmehr über die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten zu befinden, der dringend verdächtig ist, Internetwerbung für Al-Qaeda bzw. für Al-Qaeda im Zweistromland betrieben zu haben. Konkret wird ihm vorgeworfen, in den Jahren 2005 und 2006 über das Internet in einem islamistisch ausgerichteten Chatroom in 40 Fällen Audio- und Videobotschaften verbreitet zu haben, in denen im Wesentlichen durch die Al-Qaeda-Führer Bin Laden und Al Zawahriri sowie den (inzwischen getöteten) Al Zarqawi zur Teilnahme am Djihad sowie zur Tötung von Gegnern aufgerufen wurde oder bereits begangene terroristische Anschläge gerechtfertigt wurden.
Da der Haftbefehl gegen den Beschuldigten auf den dringenden Verdacht des Unterstützens terroristischer Vereinigungen gestützt war, hat er in dieser Form nicht aufrechterhalten werden können. Er musste aber auch nicht aufgehoben werden. Nach dem konkreten Inhalt der verbreiteten Texte und Botschaften ist der Beschuldigte nämlich dringend verdächtig, sich – in einer allerdings geringeren Zahl von Fällen – wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer für die terroristischen Organisationen Al Qaeda und Al Qaeda im Zweistromland strafbar gemacht zu haben. Dieser dringende Verdacht rechtfertigt, auch wenn § 129 b i. V. m § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB für das Werben um Mitglieder und Unterstützer eine deutlich geringere Strafe androht als für das Unterstützen der Vereinigung, die Fortdauer der Untersuchungshaft.
Erläuterungen
§ 129 a Abs. 5 StGB lautet:
"Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
§ 129 a Abs. 3 StGB in der bis zum 29. August 2002 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:
"Wer eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung unterstützt oder für sie wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.05.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 64/07 des BGH vom 25.05.2007
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