21.11.2024
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Dokument-Nr. 26094

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Urteil07.02.2017Bundesgerichtshof5 StR 483/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2017, 1763Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2017, Seite: 1763
  • NJW-Spezial 2017, 280Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2017, Seite: 280
  • NStZ 2017, 408Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2017, Seite: 408
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Vorinstanz:
  • Landgericht Chemnitz, Urteil09.06.2016
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil07.02.2017

BGH: Ge­brauchs­unfähig­keit eines Körperglieds wegen Unterlassens von Heilbe­hand­lungen führt grundsätzlich nicht zur Strafmilderung beim AngeklagtenGründe für Unterlassen weiterer Behandlungen können vielfältig sein und sind nicht zu bewerten durch Strafgerichte

Verliert das Opfer einer Gewalttat die Gebrauchs­fä­higkeit eines Körperglieds, weil es Heilbe­hand­lungen unterlässt, so führt dies nicht zur Strafmilderung beim Angeklagten. Die Gründe für ein Unterlassen von weiteren Behandlungen können vielfältig sein und sind durch Strafgerichte nicht zu bewerten. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2013 eskalierte in einem Asylbe­wer­berheim ein Streit zwischen zwei Asylbewerbern. Ein Asylbewerber attackierte einen anderen mit dem Messer. Da das Opfer zur Abwehr seine Hände hob, wurde er mehrmals dort durch das Messer getroffen. Dabei kam es an seiner linken Hand zu Durchtrennungen aller Beugesehen von vier Fingern einschließlich der Nerven. Da das Opfer nachfolgend auf die erforderliche Nachsorge durch Neuro- bzw. Handchirurgie und Physiotherapie verzichtete, verlor er weitgehend die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand.

Landgericht verurteilte Angeklagten wegen schwerer Körper­ver­letzung

Das Landgericht Chemnitz verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen schwerer Körper­ver­letzung, da durch seine Tat das Opfer die Finger der linken Hand dauerhaft nicht mehr gebrauchen kann. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Seiner Meinung nach könne ihm der dauerhafte Verlust der Gebrauchs­fä­higkeit der linken Hand nicht angelastet werden, da dies auf ein schuldhaftes Unterlassen von weiteren Heilbe­hand­lungen durch das Opfer zurückzuführen war.

Bundes­ge­richtshof bejaht ebenfalls Strafbarkeit wegen schwerer Körper­ver­letzung

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Revision des Angeklagten zurück. Dieser habe sich wegen schwerer Körper­ver­letzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Soweit die Meinung vertreten wird, dass die Dauerhaftigkeit einer schweren Folge dem Täter nicht zugerechnet werden könne, wenn deren Beseitigung oder Abmilderung dem Opfer machbar und zumutbar gewesen wäre, folgte der Bundes­ge­richtshof dem nicht.

Keine Strafmilderung aufgrund Unterlassens von Heilbe­hand­lungen

Das Unterlassen einer medizinischen Behandlung zur Beseitigung oder Abmilderung der eingetretenen schweren Beein­träch­ti­gungen könne nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs nicht zu einer Strafmilderung beim Täter führen. Das Opfer werde in aller Regel aus Tätersicht nicht zu hinterfragende Gründe haben, weitere Behandlungen nicht auf sich zu nehmen. So etwa aus Furcht vor den mit jeder Folgeoperation verbundenen Risiken oder Leiden oder auch nur vor schmerzhaften Nachbe­hand­lungen. Es würde jeglichem Gerech­tig­keits­emp­finden widersprechen, dem Opfer aufzugeben, sich aus übergeordneter Sicht zumutbaren Behandlungen zu unterziehen, um den Täter eine höhere Strafe zu ersparen. Es fehle darüber hinaus an einem überzeugenden rechtlichen Maßstab, woran die Zumutbarkeit von weiteren mit Risiken und Qualen bedingten Heilbe­hand­lungen zu messen sei. Es sei auch nicht Aufgabe der Strafjustiz die Motive des Opfers zu bewerten.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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