18.10.2024
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Dokument-Nr. 9026

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Urteil07.01.2010Bundesgerichtshof4 StR 413/09
Vorinstanz:
  • Landgericht Dessau, Urteil08.12.2008, 6 Ks 4/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil07.01.2010

Wesentliche Lücken in der Beweiswürdigung: BGH hebt Freispruch nach Tod eines Gefäng­nis­in­sassen durch Matratzenbrand auf (Fall Ouri Jallow)Gericht muss ordentlich aufklären

Der Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Polizei­ge­wahrsam in Dessau muss neu aufgerollt werden. Der Bundes­ge­richtshof hat den Freispruch für den leitenden Polizeibeamten Andreas S. aufgehoben. Der Senat verwies den Fall an das Landgericht Magdeburg zurück. Der 23-Jährige aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 in der Ausnüch­te­rungszelle ums Leben gekommen.

Am 7. Januar 2005 verstarb der in Sierra-Leone geborene Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau an den Folgen eines durch den Brand der Matratze, auf der er fixiert worden war, ausgelösten Inhala­ti­o­ns­hit­ze­schocks.

Staats­an­walt­schaft klagte Dienst­grup­pen­leiter an

Die Staats­an­walt­schaft hatte dem Angeklagten, der als Dienst­grup­pen­leiter die Verantwortung für den Gewahr­sams­bereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungs­maß­nahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.

Landgericht Dessau-Roßlau sprach den Angeklagten frei

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körper­ver­letzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Es sei weder erwiesen, dass der Angeklagte Körper­ver­let­zungs­vorsatz gehabt habe, noch sei nachweisbar, dass der Angeklagte durch ein sofortiges Eingreifen den Tod Ouri Jallows hätte vermeiden können.

BGH hebt Freispruch auf

Auf die Revisionen der Staats­an­walt­schaft und der Nebenkläger hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil des Landgerichts mit folgender Begründung aufgehoben.

BGH: Urteils­aus­füh­rungen sind lückenhaft

Nach den Urteils­aus­füh­rungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes "Anschmoren" des Matrat­zen­bezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaum­stoff­füllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhala­ti­o­ns­schock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaum­stoff­füllung freizulegen.

Hätte der Tod der Asylbewerbers verhindert werden können?

Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungs­maß­nahmen eingeleitet hätte.

BGH stellt pflichtgemäßes Verhalten des Angeklagten in Frage

Der Bundes­ge­richtshof hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahr­sams­bereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfes­sel­sch­lüssel mitzunehmen.

Landgericht Magdeburg muss nun entscheiden

Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Dort muss sie nunmehr neu verhandelt werden.

Quelle: ra-online, BGH

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