Dokument-Nr. 654
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Bundesgerichtshof Urteil01.07.2005
BGH hebt Ablehnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat eine Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden, mit der es die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen einen bereits früher rechtskräftig verurteilten Sexualstraftäter abgelehnt hatte, auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Verurteilte war 1997 wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden, ohne daß damals zugleich die Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. Die Haftstrafe hat der Verurteilte bis Anfang Dezember 2004 vollständig verbüßt. Danach wurde er aus der Haft entlassen. Bereits zuvor hatte die Staatsanwaltschaft im September 2004 beantragt, nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. Diese Möglichkeit ist durch § 66 b StGB geschaffen worden, eine Norm, die durch das im Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung eingefügt wurde. Nach dieser Vorschrift kann unter engen Voraussetzungen auch noch nachträglich die Sicherungsverwahrung bereits früher rechtskräftig verurteilter Straftäter angeordnet werden (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 73 vom 11. Mai 2005). Das Landgericht hat den darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft im November 2004 ohne Hauptverhandlung zurückgewiesen.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zunächst festgestellt, daß die vollständige Verbüßung der Strafe und die Haftentlassung des Verurteilten der Fortsetzung des Verfahrens nicht entgegenstehen. Vielmehr genügt es, daß dem Verurteilten vor dem Ende des Strafvollzugs mitgeteilt wird, daß die Staatsanwaltschaft prüft, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, und daß der Antrag der Staatsanwaltschaft vor der Vollverbüßung gestellt wird. Hierdurch wird im Hinblick auf den allgemeinen Vertrauensschutz zweierlei sichergestellt: Zum einen erfährt der Verurteilte noch während des Strafvollzugs, daß er mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechnen muß. Zum anderen wird ausgeschlossen, daß der Verurteilte ohne zeitliche Begrenzung auch nach der Haftentlassung mit einer Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechnen muß. Durch diese Auslegung wird aber auch dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung getragen, indem auch solche für die Gefährlichkeitsprognose wichtigen Tatsachen, die erst kurz vor Vollzugsende erkennbar werden, in der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Maßregel noch berücksichtigt werden können.
Die Entscheidung des Landgerichts konnte aber schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie auf einem Verfahrensfehler beruht. Das Landgericht hat seine ablehnende Entscheidung unter Verstoß gegen § 275 a StPO nicht durch Urteil, sondern ohne Hauptverhandlung durch Beschluß getroffen.
Vorinstanz: Landgericht Wiesbaden - 2231 Js 15462/95 1. Strafkammer
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.07.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 98/2005 des BGH vom 01.07.2005
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