15.11.2024
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Urteil01.07.2005Bundesgerichtshof2 StR 9/05
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Bundesgerichtshof Urteil01.07.2005

BGH hebt Ablehnung der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung auf

Der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat eine Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden, mit der es die nachträgliche Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung gegen einen bereits früher rechtskräftig verurteilten Sexual­straftäter abgelehnt hatte, auf die Revision der Staats­an­walt­schaft aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Verurteilte war 1997 wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in acht Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von sieben Jahren verurteilt worden, ohne daß damals zugleich die Siche­rungs­ver­wahrung angeordnet worden war. Die Haftstrafe hat der Verurteilte bis Anfang Dezember 2004 vollständig verbüßt. Danach wurde er aus der Haft entlassen. Bereits zuvor hatte die Staats­an­walt­schaft im September 2004 beantragt, nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Siche­rungs­ver­wahrung anzuordnen. Diese Möglichkeit ist durch § 66 b StGB geschaffen worden, eine Norm, die durch das im Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung eingefügt wurde. Nach dieser Vorschrift kann unter engen Voraussetzungen auch noch nachträglich die Siche­rungs­ver­wahrung bereits früher rechtskräftig verurteilter Straftäter angeordnet werden (vgl. auch Presse­mit­teilung Nr. 73 vom 11. Mai 2005). Das Landgericht hat den darauf gerichteten Antrag der Staats­an­walt­schaft im November 2004 ohne Haupt­ver­handlung zurückgewiesen.

Der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat zunächst festgestellt, daß die vollständige Verbüßung der Strafe und die Haftentlassung des Verurteilten der Fortsetzung des Verfahrens nicht entgegenstehen. Vielmehr genügt es, daß dem Verurteilten vor dem Ende des Strafvollzugs mitgeteilt wird, daß die Staats­an­walt­schaft prüft, ob die nachträgliche Siche­rungs­ver­wahrung in Betracht kommt, und daß der Antrag der Staats­an­walt­schaft vor der Vollverbüßung gestellt wird. Hierdurch wird im Hinblick auf den allgemeinen Vertrau­ens­schutz zweierlei sichergestellt: Zum einen erfährt der Verurteilte noch während des Strafvollzugs, daß er mit der Anordnung der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung rechnen muß. Zum anderen wird ausgeschlossen, daß der Verurteilte ohne zeitliche Begrenzung auch nach der Haftentlassung mit einer Anordnung der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung rechnen muß. Durch diese Auslegung wird aber auch dem Sicher­heits­in­teresse der Allgemeinheit Rechnung getragen, indem auch solche für die Gefähr­lich­keits­prognose wichtigen Tatsachen, die erst kurz vor Vollzugsende erkennbar werden, in der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Maßregel noch berücksichtigt werden können.

Die Entscheidung des Landgerichts konnte aber schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie auf einem Verfah­rens­fehler beruht. Das Landgericht hat seine ablehnende Entscheidung unter Verstoß gegen § 275 a StPO nicht durch Urteil, sondern ohne Haupt­ver­handlung durch Beschluß getroffen.

Vorinstanz: Landgericht Wiesbaden - 2231 Js 15462/95 1. Strafkammer

Quelle: Pressemitteilung Nr. 98/2005 des BGH vom 01.07.2005

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