15.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 6161

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Urteil04.06.2008Bundesgerichtshof2 StR 577/07
Vorinstanz:
  • Landgericht Hanau, Urteil17.08.2007, 4200 Js 14077/04 S - KLs
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil04.06.2008

BGH zur Strafbarkeit eines Artzes gem. § 13 Betäu­bungs­mit­tel­gesetzVerurteilung eines Substi­tu­ti­o­ns­arztes wegen missbräuch­licher Abgabe von Substi­tu­ti­o­ns­mitteln rechtskräftig

Ein in der Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung von Droge­n­ab­hängigen tätiger Arzt kann sich wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln strafbar machen, wenn er außerhalb des Anwen­dungs­be­reichs der für die Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung geltenden Vorschriften Betäu­bungs­mittel zur freien Verfügung überlässt und damit im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Betäu­bungs­mit­tel­ge­setzes abgibt. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Das Landgericht hat den Angeklagten, einen im hessischen Main-Kinzig-Kreis tätigen Substi­tu­ti­o­nsarzt, wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln in 133 Fällen sowie wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln an einen anderen, durch die er leichtfertig dessen Tod verursacht hat, zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von vier Jahren verurteilt; zugleich hat es dem Angeklagten die Ausübung seiner Tätigkeit als Substi­tu­ti­o­nsarzt für die Dauer von fünf Jahren untersagt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der Angeklagte in den Jahren von 2000 bis 2005 in einer Vielzahl von Fällen an von ihm substituierte Betäu­bungs­mit­te­l­ab­hängige das Substi­tu­ti­o­ns­präparat Polamidon zur freien Verfügung, ohne dabei die ihm bekannten ärztlichen Sorgfalts­pflichten zu beachten. In einem dieser Fälle kam es dabei im Januar 2004 zum Tod eines Substi­tu­ti­o­ns­pa­tienten. Obwohl dieser Patient, den der Angeklagte zuvor seit mehreren Monaten nicht gesehen hatte, von sich aus einen kurz zuvor geschehenen Heroinrückfall schilderte, unterließ der Angeklagte insbesondere die gebotene körperliche Untersuchung. Stattdessen verabreichte er dem Patienten noch in der Praxis eine hohe Dosis Polamidon und gab ihm zudem eine weitere, gleich hohe Dosis zur freien Verfügung nach Hause mit. Der Patient starb am folgenden Tag an einer Atemdepression, nachdem er sich noch in der Nacht die ihm überlassene Dosis injiziert hatte.

Mit seiner Revision, die er auf die Sachrüge sowie verschiedene Verfahrensrügen gestützt hat, vertritt der Angeklagte u. a. die Ansicht, die Abgaben seien schon deshalb nicht unerlaubt gewesen, weil er als Substi­tu­ti­o­nsarzt einer Erlaub­nis­pflicht unabhängig von Beschränkungen durch die Betäu­bungs­mittel-Verschrei­bungs­ver­ordnung gar nicht unterliege, sondern von dieser befreit gewesen sei.

Der Senat hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Er hat entschieden, dass ein in der Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung von Droge­n­ab­hängigen tätiger Arzt sich wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln strafbar machen kann, wenn er außerhalb des Anwen­dungs­be­reichs der für die Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung geltenden Vorschriften Betäubungsmittel zur freien Verfügung überlässt und damit im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Betäu­bungs­mit­tel­ge­setzes abgibt. Dies hat der Angeklagte unter grober Missachtung der ärztlichen Sorgfalts­pflichten hier getan.

Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Auszug aus dem Gesetz:

Erläuterungen

§ 13 Betäu­bungs­mit­tel­gesetz – Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung

(1) 1Die in Anlage III bezeichneten Betäu­bungs­mittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäu­bungs­mit­te­l­ab­hän­gigkeit verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. 2Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. 3Die in Anlagen I und II bezeichneten Betäu­bungs­mittel dürfen nicht verschrieben, verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 106/08 des BGH vom 04.06.2008

der Leitsatz

BtMG §§ 3, 13 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1; BtMVV § 5

Ein in der Substi­tu­ti­o­ns­be­handlung von Droge­n­ab­hängigen tätiger Arzt ist von einer Erlaub­nis­pflicht gemäß § 3 BtMG nicht befreit und daher wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar, wenn und soweit er Betäu­bungs­mittel außerhalb des Anwen­dungs­be­reichs von § 13 Abs. 1 BtMG, § 5 BtMVV an drogenabhängige Patienten zur freien Verfügung abgibt.

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