Bundesgerichtshof Hinweisverfügung25.09.2014
Keine Revisionshauptverhandlung in Strafsachen ohne VerteidigerKein Verzicht für Angeklagten auf Verteidigung aus Kostengründen
Wenn der Wahlverteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheint oder dies angekündigt, dann wird er zum Pflichtverteidiger bestellt. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Verfügung bekanntgegeben.
Für den Verteidiger stellt diese Bestellung - mit einer gegebenenfalls geringeren als der bei Mandatserteilung vereinbarten Vergütung - unter Umständen ein Sonderopfer dar, das er hinnehmen muss. Der Angeklagte seinerseits kann auf eine Verteidigung in der Hauptverhandlung über die Revision, welche das einzige Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile mit besonders gravierenden Rechtsfolgen darstellt, nicht - etwa aus Kostengründen - verzichten.
Bisherige Regelung nicht mit Europäischer Menschenrechtskonvention vereinbar
In Hauptverhandlungen vor den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs über Revisionen von Angeklagten, Staatsanwaltschaften oder Nebenklägern ist es bisher üblich, auch dann zu verhandeln wenn der Angeklagte - der nur in seltenen Ausnahmefällen persönlich an der Hauptverhandlungen teilnimmt - nicht durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten ist. Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf Antrag bestellt werden. Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird und ein Wahlverteidiger zur Hauptverhandlung nicht erscheint, wurde bisher in den meisten Fällen ohne jede Beteiligung des Angeklagten verhandelt. Diese Praxis ist nach Ansicht des Gerichts mit der Regelung des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar, die jedem Beschuldigten das Recht garantiert, sich selbst zu verteidigen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen oder den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.10.2014
Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online