14.11.2024
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Dokument-Nr. 675

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Urteil08.07.2005Bundesgerichtshof2 StR 120/05
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Bundesgerichtshof Urteil08.07.2005

BGH zu den Voraussetzungen der vorbehaltenen Siche­rungs­ver­wahrung

Das Landgericht Marburg hatte den Angeklagten wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen unter Einbeziehung einer Einzelstrafe aus einer anderen Verurteilung zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und gleichzeitig die Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung vorbehalten (§ 66 a StGB). Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staats­an­walt­schaft Revision eingelegt. Der Angeklagte will mit seiner auf den Rechts­fol­ge­n­aus­spruch beschränkten Revision u. a. den Wegfall der Anordnung der vorbehaltenen Siche­rungs­ver­wahrung erreichen. Die Staats­an­walt­schaft erstrebt mit ihrem auf den Maßre­gelaus­spruch beschränkten Rechtsmittel die sofortige Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung nach § 66 StGB. Der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat das Urteil des Landgerichts auf die Revision beider Seiten hinsichtlich des Maßre­gelaus­spruchs und im Gesamt­s­tra­fe­n­aus­spruch auf die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Möglichkeit, die Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung vorzubehalten (§ 66 a StGB), statt sie sofort anzuordnen, hat der Gesetzgeber im Jahre 2002 geschaffen. Diese ist nicht zu verwechseln mit der im vergangenen Jahr eingeführten Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung in § 66 b StGB. Mit § 66 a StGB soll es ermöglicht werden, die Bevölkerung auch vor solchen gefährlichen Straftätern zu schützen, bei denen die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bei Aburteilung der Anlaßtat noch nicht hinreichend sicher feststellbar ist, sich aber möglicherweise noch im Verlauf des Strafvollzugs erweist. Die Maßregel kann dann aufgrund des Vorbehalts auch noch später angeordnet werden.

Die Anordnung des Vorbehalts der Siche­rungs­ver­wahrung nach § 66 a StGB begegnet im vorliegenden Fall rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat einerseits einen unzulässig hohen Maßstab an die Rückfallgefahr angelegt und andererseits insoweit fehlerhaft auf den Zeitpunkt des Vollzugsendes statt des Urteils abgestellt. Der Senat kann weder ausschließen, daß sich die Fehler (jedenfalls zum Teil) zu Gunsten, noch daß sie sich zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben.

In diesem Zusammenhang hat der 2. Strafsenat die bisher umstrittene Frage entschieden, daß es auch für den Vorbehalt der Anordnung der Siche­rungs­ver­wahrung der Feststellung eines Hangs zu erheblichen Straftaten - ebenso wie bei der Siche­rungs­ver­wahrung nach § 66 StGB - bedarf. Lediglich die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit muß nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar sein. Er hat damit die Voraussetzungen, unter denen ein Vorbehalt ausgesprochen werden kann, klargestellt. Nach den Geset­zes­ma­te­rialien sollte es zwar einer Hangfest­stellung nicht bedürfen, ausschlaggebend für die Entscheidung des Senats waren insoweit der eindeutige Geset­zes­wortlaut, in dem die gesetz­ge­be­rische Absicht keinen Niederschlag gefunden hat, und Erwägungen der Verhält­nis­mä­ßigkeit des Eingriffs.

Vorinstanz: LG Marburg - 3 KLs 1 Js 2765/04

Quelle: Pressemitteilung Nr. 103/2005 des BGH vom 08.07.2005

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