15.11.2024
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Urteil12.07.2017Bundesgerichtshof1 StR 535/16
Vorinstanz:
  • Landgericht Augsburg, Urteil13.01.2016, 9 KLs 501 Js 113815/08
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Bundesgerichtshof Urteil12.07.2017

BGH bestätigt Freispruch im Fall des BetrugsvorwurfsLaborärztliche Leistungen gegenüber Kassen­ärzt­licher Vereinigung abrechenbar

Die Geschäftsführer eines Dienst­leis­tungs­un­ter­nehmens, welches inter­dis­zi­plinäre Beratung auf dem Gebiet der Labor­ra­ti­o­na­li­sierung, Bereitstellung von medizinischen Labor­ein­rich­tungen einschließlich Fach- und Wartungs­personal sowie Syste­m­ent­wicklung im Laborbereich anbietet, wurden von dem Vorwurf des Betrugs im Zusammenhang mit der Abrechnung von laborärztlichen Leistungen freigesprochen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof bekanntgegeben.

Im hier zu entscheidenden Fall hatte die Staats­an­walt­schaft den beiden Angeklagten vorgeworfen, im Tatzeitraum zwischen 2004 und 2007 betrügerisch Abrechnungen von laborärztlichen Leistungen gegenüber der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung vorgenommen und diese dadurch um rund 79 Millionen Euro geschädigt zu haben. Nach dem Anklagevorwurf waren die Angeklagten vertre­tungs­be­rechtigte Geschäftsführer eines Dienst­leis­tungs­un­ter­nehmens. Es schloss mit mehreren, an verschiedenen Standorten angesiedelten Laborärzten Dienst­leis­tungs­verträge. Gegenüber den jeweils regional zuständigen Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen traten die Betreiber der laborärztlichen Praxen als selbständige, niedergelassene Laborärzte auf und erklärten in ihren Abrechnungen gegenüber den Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen entweder ausdrücklich oder konkludent, die abgerechneten Leistungen - im sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Sinn - "in freier Praxis" (vgl. § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V, § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) erbracht zu haben.

Abhän­gig­keits­ver­hältnis aufgrund Vertrags­be­ziehung vermutet

Die Anklage ging jedoch davon aus, dass die Laborärzte tatsächlich aufgrund der Verträge mit dem von den Angeklagten geführten Unternehmen und der tatsächlichen Handhabung dieser vertraglichen Beziehungen in einem Abhän­gig­keits­ver­hältnis standen, mithin Arbeitnehmer des Dienst­leis­tungs­un­ter­nehmens waren. Dann aber durften die tatsächlich ausgeführten ärztlichen Leistungen nicht als "in freier Praxis" erbracht abgerechnet werden.

LG: Keine Verwirklichung des Betrug­s­tat­be­stands wegen fehlender Täuschungs­hand­lungen

Von diesen Vorwürfen sind die Angeklagten vom Landgericht Augsburg freigesprochen worden. Das Gericht hat sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet, dass die jeweils betroffenen Laborärzte in einem ausreichenden Maße "frei" im Sinne des Sozia­l­ver­si­che­rungs­rechts waren. Da sie deshalb laborärztliche Leistungen gegenüber der Kassen­ärzt­lichen Vereinigung abrechnen durften, fehlte es nach der Überzeugung des Landgerichts bereits an für die Verwirklichung des Betrug­s­tat­be­stands (§ 263 StGB) erforderlichen Täuschungs­hand­lungen.

BGH bestätigt Freisprüche

Der Bundes­ge­richtshof hat die dagegen gerichteten Revisionen der Staats­an­walt­schaft verworfen und damit die Freisprüche bestätigt. Die revisi­ons­ge­richtliche Überprüfung der Beweiswürdigung weist nach den dafür geltenden Prüfungs­maß­stäben keine Rechtsfehler auf. Insbesondere enthalten die beweis­wür­di­genden Erwägungen des Landgerichts keine Lücken oder Widersprüche. Das Landgericht hat auch keine überspannten Anforderungen an den Nachweis der für den Betrug­s­tat­bestand erforderlichen Täuschungs­hand­lungen gegenüber den zuständigen Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen gestellt. Die Freisprüche sind damit rechtskräftig.

Erläuterungen
§ 263 Abs. 1 StGB lautet:

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermö­gens­vorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV (Zulas­sungs­ver­ordnung für Vertragsärzte) lautet:

Der Vertragsarzt hat die vertrag­s­ärztliche Leistung persönlich in freier Praxis auszuüben.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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