21.11.2024
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Dokument-Nr. 2821

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Bundesgerichtshof Urteil09.08.2006

Verurteilung wegen Schmier­geld­zah­lungen im Fall „Allianz-Arena“ in München rechtskräftigKeine Befangenheit der erstin­sta­nz­lichen Richterin

Das Landgericht München I hatte den Angeklagten Karl-Heinz Wildmoser junior mit Urteil vom 13. Mai 2006 wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegenstand der Verurteilung sind Zahlungen im Zusammenhang mit der Vergabe des Bauauftrages für das neue Fußballstadion in München („Allianz-Arena“) im Jahr 2001/2002. Bauherren des Stadions waren die Fußballvereine FC Bayern München und TSV München von 1860.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied des TSV München von 1860 und Geschäftsführer der TSV München von 1860 GmbH & Co KG aA. Als Mitglied eines Lenkungs­aus­schusses, des Gutach­ter­gremiums und als Geschäftsführer der für die Errichtung und den Betrieb des Stadions gegründeten Allianz Arena München Stadion GmbH war er in maßgeblicher Position in das Verga­be­ver­fahren einbezogen. Für beide Funktionen erhielt er jeweils eine Vergütung von jährlich 200.000 € netto.

An dem Verfahren beteiligte sich als Bewerber auch die Alpine Bau Deutschland GmbH (Alpine GmbH), die einen entsprechenden Hinweis von dem Angeklagten und dem mit ihm geschäftlich verbundenen Mitangeklagten erhalten hatte; der Mitangeklagte erhoffte sich für den Fall des Zuschlages an die Alpine GmbH die Zahlung einer Maklerprovision. Nachdem der Kreis der Bewerber um die Bauvergabe sich auf die Alpine GmbH und einen zweiten Bieter reduziert hatte, signalisierte die Alpine GmbH dem Mitangeklagten, dass sie Zahlungen von Inside­r­in­for­ma­tionen über das Verga­be­ver­fahren abhängig mache. Daraufhin kam es zu vier Treffen zwischen dem Angeklagten Wildmoser, dem Mitangeklagten und dem anderweitig verfolgten Chef des in Salzburg ansässigen Alpine-Konzerns, der die Zahlung von 5,5 Mio. DM für den Fall versprach, dass der Angeklagte sich erfolgreich für eine Vergabe an die Al-pine GmbH einsetzt, Inside­r­in­for­ma­tionen liefert und als „Ansprechpartner“ für die spätere Bauphase zur Verfügung steht. Dieser Schmier­geld­ver­ein­barung stimmte der Angeklagte Wildmoser zu.

Nachdem die Alpine GmbH den Zuschlag für den Bau des Stadions erhalten hatte, kam es zur Auszahlung des vereinbarten Schmiergeldes von 2.812.094,82. € an den Mitangeklagten, die mittels fingierter Rechnungen und pro forma geschlossener Schein­ver­ein­ba­rungen verschleiert wurde. Dieser leitete die Gelder nahezu vollständig an den Angeklagten Wildmoser weiter. Der geständige Mitangeklagte wurde wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben sowohl der Angeklagte als auch – zu seinen Ungunsten – die Staats­an­walt­schaft Revision eingelegt. Der Angeklagte hat sich mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen seine Verurteilung gewendet. Mit einer Verfahrensrüge ist die Befangenheit der Vorsitzenden der Strafkammer im Zusammenhang mit Presseartikeln der Münchener Abendzeitung gerügt geworden. Die Staats­an­walt­schaft, die eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren beantragt hatte, hat mit ihrer auf den Rechts­fol­ge­n­aus­spruch beschränkten Revision eine höhere Verurteilung des Angeklagten wegen eines besonders schweren Falles der Untreue erstrebt.

Der Bundes­ge­richtshof hat beide Revisionen verworfen und das landge­richtliche Urteil damit vollumfänglich bestätigt. Die Prüfung der Befangenheit hat ergeben, dass sich das Verhalten der Vorsitzenden Richterin im Wesentlichen darin erschöpfte, dass sie gegen einen Artikel in der Münchener Abendzeitung vorgegangen war, in dem sie als „Frau Gnadenlos“ bezeichnet wurde. Die Abendzeitung hatte im Zusammenhang mit der beabsichtigten Veröf­fent­lichung eines „Wieder­gut­ma­chungs­ar­tikels“ zu der Vorsitzenden Richterin Kontakt aufgenommen. Auf den Inhalt und die redaktionelle Gestaltung dieses Artikels, in dessen veröf­fent­lichter Fassung über den Fortgang des Verfahrens und ein mögliches Geständnis des Angeklagten spekuliert wurde, hatte die Vorsitzende jedoch keinen Einfluss. Insbesondere redigierte sie den Presseartikel nicht. Wie der Rechtsanwalt der Münchener Abendzeitung und die Zeitung selbst in einer veröf­fent­lichten Stellungnahme betonten, entsprach der Artikel allein der Bewertung der Redaktion über den bisherigen Prozessverlauf; er sei „ohne jedes Zutun“ der Vorsitzenden Richterin „nach allgemein-journa­lis­tischen Maßstäben“ verfasst worden. Der Bundes­ge­richtshof hat ausgeführt, dass vor diesem Hintergrund aus der Sicht des Angeklagten Zweifel an der Unpar­tei­lichkeit der Vorsitzenden Richterin etwa dadurch, dass diese auf den Presseartikel hingewirkt oder sich seinen Inhalt zu eigen gemacht habe - nicht gerechtfertigt gewesen seien. Ob die persönlich motivierten Bemühungen der Vorsitzenden um Wieder­gut­machung während des laufenden Verfahrens angemessen gewesen seien, könne offen bleiben.

Das Urteil weise, so der Bundes­ge­richtshof, auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Das Landgericht habe die an den Angeklagten geflossenen Beträge zu Recht als Schmiergeld, und nicht als Provi­si­ons­zah­lungen bewertet. Die Zuwendungen bildeten die Gegenleistung dafür, dass der Angeklagte sich bereit erklärt habe, einen der Bewerber im Verga­be­ver­fahren in unlauterer Weise zu bevorzugen. Es handele sich neben der Untreue um einen geradezu klassischen Fall der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr durch Schmier­geld­zahlung.

Zur Revision der Staats­an­walt­schaft hat der Bundes­ge­richtshof offen lassen können, ob das Landgericht zu Unrecht keinen besonders schweren Fall der Untreue angenommen habe. Denn selbst für diesen Fall sei die vom Landgericht verhängte Strafe gleichwohl angemessen und könne daher bestehen bleiben. Das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig.

Vorinstanz

Landgericht München I - Urteil vom 13. Mai 2005 - 4 KLs 571 Js 50602/03

aus dem Gesetzestext

§ 299 StGB Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 113/06 des BGH vom 09.08.2006

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