18.10.2024
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Dokument-Nr. 66

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Bundesgerichtshof Urteil16.12.2004

BGH verwirft Revisionen der Angeklagten im Fall Haffa/EM.TVHaffas schuldig

Der Bundes­ge­richtshof hat die milli­o­nen­schweren Geldstrafen gegen die ehemaligen EM-TV-Vorstände Thomas und Florian Haffa bestätigt.

Das Landgericht München I hat die Angeklagten Thomas und Florian Haffa wegen "Unrichtiger Darstellung", einer Straftat nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, zu Geldstrafen von jeweils 240 Tagessätzen verurteilt und die Höhe eines Tagessatzes auf 5.000 € bzw. 1.000 € festgesetzt.

Gegenstand der Verurteilung ist die am 24. August 2000 erfolgte Bekanntgabe von Halbjah­res­zahlen der EM.TV & Merchandising AG für das erste Halbjahr 2000 durch die Angeklagten. Die Bekanntgabe erfolgte im Rahmen einer Ad-hoc-Meldung und einer parallel dazu veröf­fent­lichten Presse­mit­teilung (siehe Anhang). Danach hatte sich der Konzernumsatz bis zum 30. Juni 2000 im Vorjah­res­ver­gleich von 204 Mio DM auf 603 Mio DM fast verdreifacht. Diese Halbjah­res­zahlen waren nach den Feststellungen des Landgerichts in zweifacher Hinsicht unrichtig.

Einbezogen war zum einen die Beteiligung der sogenannten Formel-1-Gruppe ab dem 1. Januar 2000 mit einem Umsatz von 219 Mio DM und einem Ergebnis von 98,5 Mio DM, obwohl diese Beteiligung erst am 12. Mai 2000 erworben wurde und die Einstellung der Zahlen erst ab dem Zeitpunkt des Erwerbs zulässig war. Zum anderen enthielt der Umsatz für den Bereich EM.TV in Höhe von 223 Mio DM einen Betrag von 60 Mio DM aus einem Lizenzvertrag mit der Junior GmbH & Co. KG, der erst nach dem 30. Juni 2000 geschlossen wurde, weshalb der Betrag gar nicht erscheinen durfte.

Den Angeklagten war nach den Feststellungen des Landgerichts die Unrichtigkeit der Angaben bewußt. Sie haben - so das Landgericht - die falschen Zahlen bekannt gegeben, um den Kurs der EM.TV-Aktien positiv zu beeinflussen. Dieser lag am 24. August 2000 bei 55,80 €; nach der Richtigstellung der falschen Ad-hoc-Mitteilung am 9. Oktober 2000 sank er auf 39,90 €.

Die Angeklagten haben mit der Revision mehrere Verfahrensrügen erhoben, unter anderem einen Verstoß gegen das faire Verfahren aufgrund einer gescheiterten Urteils­ab­sprache geltend gemacht. Mit der Sachrüge haben sie sich gegen die Verurteilung nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG (Unrichtige Darstellung) gewandt und die strafschärfende Berück­sich­tigung einer Ordnungs­wid­rigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (Kursma­ni­pu­lation) beanstandet.

Der 1. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verneint. Nach dem Revisi­ons­vortrag der Angeklagten haben außerhalb der Haupt­ver­handlung Gespräche stattgefunden. Dabei ging es um eine Urteils­ab­sprache. Das Gericht habe dabei eine Verurteilung lediglich wegen einer Ordnungs­wid­rigkeit nach § 39 WpHG in Aussicht gestellt. Vorteil einer solchen Ordnungs­wid­rig­keiten-Lösung sei, daß dadurch die Gefahr zivil­recht­licher Ansprüche aus § 400 AktG (Schutzgesetz für Anleger) minimiert werde. Die Urteils­ab­sprache sei aber gescheitert, weil die Versi­che­rungs­ge­sell­schaft, die der EM.TV sowohl in straf­recht­licher als auch in zivil­recht­licher Hinsicht Versi­che­rungs­schutz für sämtliche Verfah­rens­kosten, aber auch für das Schaden­s­er­satz­risiko gewähre, angekündigt habe, auch für den Fall der Verurteilung wegen einer wissentlichen Pflicht­ver­letzung nach § 39 WpHG den Versi­che­rungs­schutz zu verweigern. Unter diesen Umständen hätten die Angeklagten der Absprache nicht zugestimmt. Die Revision meint, trotz des Scheiterns der Absprache hätten sie darauf vertrauen dürfen, daß § 400 AktG „vom Tisch“ sei. Durch die Verurteilung nach § 400 AktG habe das Landgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Dieser Ansicht ist der Bundes­ge­richtshof nicht gefolgt. Ein solches Verfah­rens­ge­schehen begründet kein schützenswertes Vertrauen.

In sachlich-rechtlicher Hinsicht hatten die Angeklagten insbesondere geltend gemacht, die Ad-hoc-Meldung erfülle nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Sie sei keine Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand. In diesem Zusammenhang hatten sie sich unter anderem auf mehrere Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundes­ge­richtshofs vom 19. Juli 2004 ("Infomatec") bezogen.

Der II. Zivilsenat hatte bei den von ihm zu beurteilenden Fallge­stal­tungen die Anwendung des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG verneint, weil nur jeweils einzelne Geschäfts­ab­schlüsse bekannt gegeben worden waren. Der 1. Strafsenat ist - ebenso wie der II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs - der Ansicht, daß das Merkmal des § 400 AktG "Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" mehr als eine Einze­l­in­for­mation voraussetzt. Die Darstellung oder Übersicht muß ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall - anders als bei den Infomatec-Entscheidungen - ohne weiteres erfüllt. Die Tathandlung bezog sich nicht auf eine Einze­l­in­for­mation, sondern auf die Bekanntgabe von Halbjah­res­zahlen. Diese erheben den Anspruch auf vollständige Information. Das zeigt schon die Formulierung "wird das Gesamtbild abgerundet" in der Ad-hoc-Mitteilung.

Rechts­feh­lerfrei hat das Landgericht auch strafschärfend berücksichtigt, daß die Angeklagten zusätzlich eine Ordnungs­wid­rigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG begangen haben. Da die Ordnungs­wid­rigkeit mit der Straftat nach § 400 AktG zusammentrifft, kommt sie nach § 21 OWiG zwar nicht im Schuldspruch zum Ausdruck. Als selbständiges Unrecht durfte sie jedoch strafschärfend berücksichtigt werden.

Die verfas­sungs­recht­lichen Bedenken der Revisionen gegen § 400 AktG und § 39 WpHG teilt der Bundes­ge­richtshof nicht. Quartals­be­richte über Umsatzerlöse und die Ertragslage (§§ 53, 54 BörsZulV) können Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand im Sinne von § 400 Abs.1 Nr. 1 AktG sein.

Da das Urteil des Landgerichts München I auch im übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten enthielt, hat der Bundes­ge­richtshof die Revisionen verworfen.

Vorhergende Instanz: Landgericht München I , 4 Kls 305 Js 52373/00

Quelle: Pressemitteilung Nr. 150/2004 des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2004

der Leitsatz

AktG § 400 Abs. 1 Nr. 1

Quartals­be­richte über Umsätze und Erträge (§§ 53, 54 BörsZulV) geben die Verhältnisse der Aktien­ge­sell­schaft über den Vermögensstand wieder, wenn sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken.

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