18.10.2024
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Dokument-Nr. 6837

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Urteil14.10.2008Bundesgerichtshof1 StR 260/08
Vorinstanz:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil28.11.2007, 3 KLs 620 Js 13113/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.10.2008

BGH entscheidet zum straf­recht­lichen Vorwurf der Vorteils­ge­währung bei Verschenken von WM-Tickets an AmtsträgerIm Ergebnis keine Vorteils­ge­währung

Der Bundes­ge­richtshof hat in der so genannten Ticketaffäre um verschenkte Eintrittskarten für die Weltmeis­ter­schaft 2006 den Freispruch des ehemaligen Vorstandschefs des Energiekonzerns EnBW AG, Utz Claassen durch das Landgericht Karlsruhe im Ergebnis bestätigt.

Mit Urteil vom 28. November 2007 hat das Landgericht Karlsruhe den Angeklagten Prof. Dr. Utz Claassen von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen freigesprochen.

Im Dezember 2005 hatte der Angeklagte in der Eigenschaft als damaliger Vorstands­vor­sit­zender der EnBW AG die Versendung von Weihnachts­gruß­karten veranlasst, denen Gutscheine für Eintrittskarten zu Fußballspielen der FIFA-WM 2006 im Stadion von Stuttgart oder Berlin beigefügt waren (sog. Ticketaffäre). Unter den Empfängern waren der Minis­ter­prä­sident und fünf Minister des Landes Baden-Württemberg sowie der beamtete Staatssekretär im Bundes­um­welt­mi­nis­terium.

Das Landgericht hat den Angeklagten aus verschiedenen Gründen freigesprochen. Es hat die Eintrittskarten nicht als – persönliche – Vorteile im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB gewertet. Denn sie hätten den Begünstigten nur die Gelegenheit gegeben, ihren Reprä­sen­ta­ti­o­ns­pflichten nachzukommen, zumal die Mitglieder der Landesregierung – so die Feststellungen des Landgerichts – ohnehin anderweitig freien Zugang "jedenfalls" zu den WM-Spielen in Stuttgart hatten. Im Hinblick auf die sechs an die Mitglieder der Landesregierung versandten Gutscheine ist das Landgericht zudem der Auffassung gewesen, die Annahme solcher Eintrittskarten als sog. "Ehrenkarten" sei von der Regierung mit einem am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB allgemein genehmigt gewesen. Schließlich hat sich das Landgericht nicht von der in § 333 Abs. 1 StGB vorausgesetzten sog. Unrechts­ver­ein­barung zu überzeugen vermocht; es sei nicht nachzuweisen gewesen, dass der Angeklagte die Dienstausübung der begünstigten Amtsträger habe beeinflussen wollen. Vielmehr sprächen gewichtige Umstände dafür, dass der Angeklagte die Versendung der Eintrittskarten im Bewusstsein und auf der Grundlage eines Sponsoring-Konzepts der EnBW zu Werbezwecken veranlasste.

Der 1. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Revision der Staats­an­walt­schaft gegen das freisprechende Urteil verworfen. Zwar ist er dem Landgericht nicht darin gefolgt, dass es schon an einem – vom Angeklagten angebotenen oder versprochenen – Vorteil fehle und die Annahme der Eintrittskarten allgemein genehmigt gewesen sei. Soweit das Landgericht jedoch zu dem Schluss gekommen ist, dem Angeklagten sei eine Unrechts­ver­ein­barung nicht nachzuweisen gewesen, hat dies revisi­ons­recht­licher Überprüfung standgehalten. Die Unrechts­ver­ein­barung ist – infolge der seit dem 20. August 1997 geltenden Verschärfung des Korrup­ti­o­nss­traf­rechts – im Geset­zes­wortlaut des § 333 Abs. 1 StGB derart umschrieben, dass der Täter dem Amtsträger den Vorteil "für die Dienstausübung" anbieten, versprechen oder gewähren muss.

Der Bundes­ge­richtshof hat in der Entscheidung die rechtlichen Maßstäbe präzisiert, nach denen das Vorliegen einer solchen Unrechts­ver­ein­barung zu beurteilen ist. Er hat herausgestellt, dass die Strafvorschrift der Vorteils­ge­währung nicht schon dadurch unanwendbar wird, dass eine Unrechts­ver­ein­barung in sozialadäquate Handlungen – wie die Durchführung eines für sich gesehen in straf­recht­licher Hinsicht gänzlich unverdächtigen Sponso­ring­konzepts – eingebunden wird. Dass sich das Landgericht in dem konkreten Fall trotz der den Angeklagten erheblich belastenden Indizien nicht von einer (avisierten) Unrechts­ver­ein­barung hat überzeugen können, also davon, dass der Angeklagte die Versendung der Gutscheine veranlasste, um etwaige dienstliche Tätigkeiten der bedachten Amtsträger zu honorieren oder zu beeinflussen, hat der Bundes­ge­richtshof im Ergebnis hingenommen, da tatrichterliche Feststellungen in nur eingeschränktem Umfang der revisi­ons­ge­richt­lichen Kontrolle unterliegen.

Auszug aus dem Gesetz

§ 333 StGB. Vorteils­ge­währung. (1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

...

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.

Quelle: ra-online, BGH

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