15.11.2024
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Dokument-Nr. 1289

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Urteil12.12.2000Bundesgerichtshof1 StR 184/00
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Bundesgerichtshof Urteil12.12.2000

Verbreitung der Auschwitzlüge im Internet

Das Landgericht Mannheim hat einen australischen Staatsbürger wegen Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in drei Fällen, in einem Fall zudem in weiterer Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von zehn Monaten verurteilt.

Eine Verurteilung auch wegen Volksverhetzung in den beiden übrigen Fällen – den Internet-Fällen – hat das Landgericht abgelehnt. Zwar sei der Tatbestand erfüllt, für diese Taten gelte jedoch das deutsche Strafrecht nicht. Hiergegen hatte die Staats­an­walt­schaft Revision eingelegt.

Der Angeklagte ist Direktor des "Adelaide Institutes" in Australien. Er verfaßte Rundbriefe und Artikel, in denen er "revisi­o­nis­tische" Thesen vertrat, die er in die Homepage des Instituts auf einem australischen Server in das Internet stellte. Unter dem Vorwand wissen­schaft­licher Forschung wurde die unter der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus begangene Ermordung der Juden bestritten und als Erfindung "jüdischer Kreise" dargestellt.

Die zwei Internet-Fälle betreffen vom Angeklagten selbst verfaßte Publikationen, die die Auschwitzlüge zum Inhalt haben. Auch diese Publikationen hat der Angeklagte in das Internet gestellt.

Da der Angeklagte selbst nur im Ausland gehandelt hat, hängt die Geltung des deutschen Strafrechts davon ab, ob "der zum Tatbestand gehörende Erfolg" ( § 9 StGB) in Deutschland eingetreten ist. Die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB setzt voraus, daß die Tat geeignet ist, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören. Der tatsächliche Eintritt einer Friedensstörung ist nicht Tatbe­stands­vor­aus­setzung; die Volksverhetzung ist daher ein sog. abstraktes Gefähr­dungs­delikt. Ob solche abstrakten Gefähr­dungs­delikte einen Erfolgsort im Sinne des § 9 StGB haben können, war bisher höchst­rich­terlich noch nicht entschieden und in der Literatur umstritten. Der Bundes­ge­richtshof hat nun entschieden:

Stellt ein Ausländer von ihm verfaßte Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt eine zum Tatbestand gehörende Eignung zur Friedensstörung (Erfolg im Sinne des § 9 Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein.

Hervorzuheben ist, daß die Entscheidung nur zu dem Fall ergangen ist, daß der Autor seine eigenen volks­ver­het­zenden Äußerungen ins Internet stellt.

Auf die Revision der Staats­an­walt­schaft hat der Bundes­ge­richtshof daher in den Internet-Fällen auch auf Volksverhetzung erkannt und den Strafausspruch aufgehoben. Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil wegen eines Verfah­rens­fehlers aufgehoben. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte dem Angeklagten einen Verteidiger bestellt, gegen den zur selben Zeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung anhängig war. Der Verteidiger hatte sich vergeblich gegen seine Bestellung gewandt und zweimal um seine Entpflichtung gebeten. Im Hinblick auf sein eigenes Verfahren hatte er sich in dem Verfahren gegen den Angeklagten passiv verhalten. Damit war der Angeklagte vor dem Landgericht nicht ordnungsgemäß verteidigt.

Erläuterungen
Gesetzestext:

§ 9 Abs. 1 StGB "Ort der Tat"

Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

§ 130 StGB "Volksverhetzung"

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkür­maß­nahmen gegen sie auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkür­maß­nahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,

a) verbreitet,

b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder

d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder

2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus begangene Handlung der in § 220 a Abs. 1 bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in Absatz 3 bezeichneten Inhalts.

(5) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 4, und in den Fällen des Absatzes 3 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 95/00 des BGH vom 12.12.2000

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