15.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 103

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Urteil11.02.2004Bundesgerichtshof XII ZR 265/02
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2004, 516Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2004, Seite: 516
  • BGHZ 158, 81Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 158, Seite: 81
  • DNotZ 2004, 550Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2004, Seite: 550
  • FamRB 2004, 105Zeitschrift: Familien-Rechts-Berater (FamRB), Jahrgang: 2004, Seite: 105
  • FamRZ 2004, 601Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2004, Seite: 601
  • MDR 2004, 573Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2004, Seite: 573
  • NJW 2004, 390Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2004, Seite: 390
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil11.02.2004

Begrenzung der Gestal­tungs­freiheit für EheverträgeZur Inhalts­kon­trolle von Eheverträgen

Vertragliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten dürfen nicht evident einseitig sein. Das ist der Fall wenn durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebens­ver­hältnisse eine nicht gerechtfertigte Lasten­ver­teilung entsteht, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Das geht aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte die Wirksamkeit eines notariellen Ehevertrages zu beurteilen.

Die seit 2001 geschiedenen Parteien hatten 1985 geheiratet. Der 1948 geborene Ehemann ist Unter­neh­mens­berater; seine sieben Jahre jüngere Ehefrau hatte vor der Ehe ein Hochschul­studium abgeschlossen und war als Archäologin tätig gewesen. 1988, zwei Jahre nach Geburt ihres ersten und rund ein Jahr vor Geburt ihres zweiten Kindes, vereinbarten sie Gütertrennung, schlossen den Versor­gungs­aus­gleich aus und verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Unterhalts der Ehefrau wegen Kindesbetreuung. Der Ehemann verpflichtete sich im übrigen, durch laufende Prämi­en­zah­lungen für seine Ehefrau auf deren 60. Lebensjahr eine Kapita­l­le­bens­ver­si­cherung mit einer erwarteten Ablaufleistung von rund 172.000 DM zu begründen.

Das Oberlan­des­gericht hat den Ehevertrag unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Inhalts­kon­trolle von Eheverträgen als unwirksam angesehen und der Klage der Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt und Auskunft im Rahmen des Zugewin­n­aus­gleichs teilweise stattgegeben. Der Senat hat dieses Urteil, soweit es mit der Revision angefochten ist, aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zwecks neuer Feststellungen zurückverwiesen.

Nach Auffassung des Senats steht es Ehegatten grundsätzlich frei, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den Versor­gungs­aus­gleich und den nachehelichen Unterhalt ehevertraglich auszuschließen. Allerdings darf der Schutzzweck dieser Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die vereinbarte Lasten­ver­teilung der individuellen Gestaltung der ehelichen Lebens­ver­hältnisse in keiner Weise mehr gerecht wird, weil sie evident einseitig ist und für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Das ist um so eher der Fall, je mehr der Ehevertrag in den Kernbereich des Schei­dungs­fol­gen­rechts eingreift.

Insoweit ist eine Abstufung vorzunehmen. Zum Kernbereich gehören in erster Linie der Unterhalt wegen Kindesbetreuung und in zweiter Linie der Alters- und Krank­heits­un­terhalt, denen der Vorrang vor den übrigen Unter­halt­s­tat­be­ständen (z.B. Ausbildungs- und Aufsto­ckungs­un­terhalt) zukommt. Der Versor­gungs­aus­gleich steht als vorweg­ge­nommener Altersunterhalt auf gleicher Stufe wie dieser selbst und ist daher nicht uneingeschränkt abdingbar. Der Ausschluß des Zugewin­n­aus­gleichs schließlich unterliegt - für sich allein genommen - angesichts der Wahlfreiheit des Güterstandes keiner Beschränkung.

Der Tatrichter hat daher in einem ersten Schritt gemäß § 138 Abs. 1 BGB eine Wirksam­keits­kon­trolle des Ehevertrages anhand einer auf den Zeitpunkt des Vertrags­schlusses bezogenen Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen, insbesondere also hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermö­gens­ver­hältnisse und ihres geplanten oder bereits verwirklichten Lebens­zu­schnitts. Das Verdikt der Sitten­wid­rigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Schei­dungs­fol­gen­rechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne daß dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt wird. Ergibt diese Prüfung, daß der Ehevertrag unwirksam ist, treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen.

Andernfalls ist in einem zweiten Schritt im Wege der Ausübungs­kon­trolle (§ 242 BGB) zu prüfen, ob und inwieweit die Berufung auf den Ausschluß gesetzlicher Schei­dungs­folgen angesichts der aktuellen Verhältnisse nunmehr mißbräuchlich erscheint und deshalb das Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand des Vertrages nicht mehr schutzwürdig ist. In einem solchen Fall hat der Richter die Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung trägt.

Der Senat hat die Annahme des Oberlan­des­ge­richts, die von den Eheleuten getroffenen Abreden seien unwirksam, nicht gebilligt. Für einen Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB, Wirksam­keits­kon­trolle) fehle es an tatsächlichen Feststellungen, insbesondere was die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke, ihre Lebensplanung und ihre sonstigen Beweggründe betreffe. Eine vom Ehemann ausgenutzte Unterlegenheit der Ehefrau sei nicht erkennbar. Für die Zeit der Kinderbetreuung sei der gesetzliche Unter­halts­an­spruch der Ehefrau schon nach dem erklärten Parteiwillen nicht ausgeschlossen; für die Zeit nach der Kinderbetreuung könne sich eine - wenn auch nicht notwendig auf den vollen eheangemessenen Unterhalt gerichtete - Unter­halts­pflicht des Ehemannes im Wege der Ausübungs­kon­trolle (§ 242 BGB) ergeben. Einer solchen Kontrolle unterliege zwar auch der vereinbarte Ausschluß des Zugewin­n­aus­gleichs; die vom Oberlan­des­gericht hierzu bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigten jedoch nicht die Annahme, daß der Ehemann nach § 242 BGB gehindert werde, sich auf die von den Parteien vereinbarte Gütertrennung zu berufen.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

BGB §§ 138, 242, 1408, 1410, 1585c

Zur Inhalts­kon­trolle von Eheverträgen.

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