21.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 3136

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Urteil05.10.2006Bundesgerichtshof XII ZR 197/02
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 169, 200Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 169, Seite: 200
  • FamRZ 2006, 1827Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2006, Seite: 1827
  • FF 2007, 50Zeitschrift: FF - Forum Familienrecht (FF), Jahrgang: 2007, Seite: 50
  • FuR 2007, 19Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 2007, Seite: 19
  • JA 2007, 813Zeitschrift: Juristische Arbeitsblätter (JA), Jahrgang: 2007, Seite: 813
  • JZ 2007, 587Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2007, Seite: 587
  • MDR 2007, 275Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2007, Seite: 275
  • NJW 2007, 139Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2007, Seite: 139
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.10.2006

Hausmann ist Kindern aus früherer Ehe weiterhin unter­halts­pflichtig - Nebenjob zum Unterhalt zumutbarBundes­ge­richtshof entwickelt Hausmannrecht­sprechung weiter

Ein Hausmann muss einen Nebenjob annehmen, wenn dies für den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe notwendig ist. Das geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor, mit der dieser die so genannte Hausmannrecht­sprechung weiter entwickelte. Im entschiedenen Fall lebte ein Brasilianer in zweiter Ehe und hatte die Betreuung der Kinder übernommen, weil seine Frau mit ihrer Arbeit wesentlich mehr verdiente als er.

Die 1990 bzw. 1991 geborenen Kläger sind Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Der Beklagte ist wieder verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen. Der Beklagte hat in seiner neuen Ehe die Haushalt­s­tä­tigkeit und Kindererziehung übernommen und erzielt keine eigenen Einkünfte. Er ist brasilianischer Staats­an­ge­höriger; seine Ausbildung zum Bauzeichner wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt. Seine zweite Ehefrau ist Diplompädagogin, betreibt ein Kleinstheim für psychisch auffällige Kinder und erzielt daraus Einkünfte, die sich - einschließlich eines Wohnvorteils im eigenen Haus - auf rund 2.500 € belaufen.

Das Oberlan­des­gericht hatte den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt an seine Kinder aus erster Ehe in zeitlich gestaffelter Höhe verurteilt. Er sei verpflichtet, neben der Betreuung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe einen Nebenerwerb auszuüben, um auch die gleichrangigen Ansprüche auf Barunterhalt seiner Kinder aus erster Ehe erfüllen zu können. Mit seiner Revision erstrebte der Beklagte den Wegfall seiner Unter­halts­pflicht und Abweisung der Klage, weil er zu Unter­halts­leis­tungen nicht in der Lage sei.

Weil die zweite Ehefrau des Beklagten mit seinen Kindern aus erster Ehe nicht verwandt und ihnen deswegen auch nicht unter­halts­pflichtig ist, kann für den Unter­halts­an­spruch dieser Kinder nur auf die Leistungs­fä­higkeit des Beklagten selbst abgestellt werden. Allerdings bestehen die Unter­halts­ansprüche aller minderjährigen Kinder des Beklagten aus seinen beiden Ehen gleichrangig nebeneinander, weswegen der Beklagte sich nicht aussuchen darf, welche Ansprüche er davon erfüllen will (hier die Betreuung und Erziehung der Kinder aus zweiter Ehe) und welche nicht (hier den Barunterhalt für die Kinder aus erster Ehe). Zur Lösung des Inter­es­sen­kon­flikts der Kinder aus erster und zweiter Ehe hat der Bundes­ge­richtshof an der sog. Hausmann­recht­sprechung festgehalten und diese in einem hier entscheidenden Aspekt weiter entwickelt:

Übernimmt der seinen Kindern aus erster Ehe barun­ter­halts­pflichtige Elternteil in seiner neuen Ehe die Kindererziehung, so ist der damit verbundene Rollenwechsel unter­halts­rechtlich nur dann zu akzeptieren, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen. Ist das nicht der Fall, muss sich der seinen Kindern aus erster Ehe barun­ter­halts­pflichtige Elternteil so behandeln lassen, als ob er vollschichtig berufstätig wäre, und das daraus erzielbare – höhere - Einkommen zunächst für alle gleichrangigen Unter­halts­ansprüche einsetzen. Im vorliegenden Fall hat der Bundes­ge­richtshof die Rollenwahl akzeptiert, weil die zweite Ehefrau ein weitaus höheres Einkommen erzielt, als der Beklagte wegen seiner Sprachprobleme und der fehlenden Anerkennung seiner Ausbildung erzielen könnte.

Obwohl der barun­ter­halts­pflichtige Elternteil unter­halts­rechtlich berechtigt war, in seiner neuen Ehe die Hausmannrolle zu übernehmen, mutet ihm das Gesetz wegen der gesteigerten Unter­halts­pflicht gegenüber allen minderjährigen Kindern besondere Anstrengungen zu. Nach der Hausmann­rech­sprechung des Bundes­ge­richtshofs ist er deswegen verpflichtet, neben der Beaufsichtigung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe eine Teilzei­t­er­wer­b­s­tä­tigkeit auszuüben. Seine zweite Ehefrau hat ihn in diesem Umfang von den Erzie­hungs­aufgaben freizustellen, weil auch sie von den gleichrangigen Unter­halts­ansprüchen der Kinder aus erster Ehe Kenntnis hat. In welchem Umfang eine Erwer­b­s­tä­tigkeit neben der Kindererziehung möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Das Oberlan­des­gericht hatte einen Nebenerwerb von 325 €/mtl. für zumutbar gehalten; dieses hat der Bundes­ge­richtshof akzeptiert. Daneben steht dem Beklagten als Hausmann in seiner neuen Ehe ein Anspruch auf Famili­en­un­terhalt gegen seine zweite Ehefrau zu. Soweit dieser Anspruch sich als Taschengeld auf einen Geldbetrag richtet, kann der Beklagte auch diesen für den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe verwenden. Für den Unterhalt der Kinder aus erster Ehe muss der Beklagte das Neben­er­w­er­b­s­ein­kommen und das Taschengeld aber nur dann einsetzen, wenn sein eigener notwendiger Selbstbehalt, der z.Zt. 890 € beträgt, durch den (übrigen) Anspruch auf Famili­en­un­terhalt gegen seine zweite Ehefrau gesichert ist. Im vorliegenden Fall war das sichergestellt.

Wäre der Beklagte allerdings in seiner zweiten Ehe in Vollzeit berufstätig, würde sich hier sogar ein geringerer Unter­halts­an­spruch der Kinder aus erster Ehe ergeben. Denn der Beklagte könnte auch im Rahmen einer Vollzeit­tä­tigkeit nur ein sehr begrenztes - wenn auch höheres - Einkommen erzielen, als ihm neben der Kinderbetreuung als Entgelt aus einer Nebentätigkeit zurechenbar ist. Davon müsste er aber zunächst seinen eigenen notwendigen Selbstbehalt absichern. Nur der verbleibende Rest stünde dann für den Unterhalt aller Kinder aus beiden Ehen zur Verfügung. Für jeden einzelnen Unter­halts­be­rech­tigten würde sich im Rahmen der dann durch­zu­füh­renden Mangel­fa­ll­be­rechnung nur ein geringerer Unter­halts­an­spruch ergeben, als dies auf der Grundlage der Hausmann­recht­sprechung der Fall ist. Der Bundes­ge­richtshof hat jetzt entschieden, dass der Unter­halts­an­spruch der Kinder aus erster Ehe nicht durch den fiktiven Unter­halts­an­spruch begrenzt ist, der bestünde, wenn der Beklagte in seiner zweiten Ehe nicht die Hausmannrolle übernommen hätte, sondern vollschichtig berufstätig wäre. Der Unter­halts­an­spruch auf der Grundlage einer fiktiven Vollzei­t­er­wer­b­s­tä­tigkeit bildet deswegen nur einen Mindestbetrag, der durch das Einkommen aus Neben­er­wer­b­s­tä­tigkeit neben der tatsächlich ausgeübten Hausmannrolle überschritten werden kann.

Erläuterungen

Vorinstanzen

AG Bremen - 67 F 2329/01 – Entscheidung vom 28.02.2002

OLG Bremen - 5 UF 29/02 - Entscheidung vom 27.06.2002

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 131/06 des BGH vom 05.10.2006

der Leitsatz

BGB §§ 1356 Abs. 2, 1360, 1360 a, 1603 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 1606 Abs. 3 Satz 2, 1609 Abs. 1

a) Ein seinen Kindern aus erster Ehe barun­ter­halts­pflichtiger Elternteil darf aus unter­halts­recht­licher Sicht in einer neuen Ehe nur dann die Haushalts­führung und Kindesbetreuung übernehmen, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen (im Anschluss an das Senatsurteil vom 13. März 1996 - XII ZR 2/95 - FamRZ 1996, 796).

b) Im Falle eines berechtigten Rollentausches ist die Unter­halts­pflicht gegenüber den Kindern aus erster Ehe auf der Grundlage einer Neben­er­wer­b­s­tä­tigkeit und des Taschen­geldan­spruchs nicht durch einen fiktiven Unter­halts­an­spruch begrenzt, der sich ergäbe, wenn der barun­ter­halts­pflichtige Elternteil auch in seiner neuen Ehe vollzei­t­er­wer­b­stätig wäre und von solchen Einkünften seinen eigenen Selbstbehalt sowie alle weiteren gleichrangigen Unter­halts­ansprüche abdecken müsste (Aufgabe der Senats­recht­sprechung in den Senatsurteilen vom 31. März 1982 - IVb ZR 667/80 - FamRZ 1982, 590, vom 26. September 1984 - IVb ZR 32/83 - NJW 1985, 318, vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 81/85 - FamRZ 1987, 472, vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 191/98 - FamRZ 2001, 1065 und Weiterführung des Senatsurteils vom 12. November 2003 - XII ZR 111/01 - FamRZ 2004, 364).

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