15.11.2024
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Dokument-Nr. 2269

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Urteil26.04.2006Bundesgerichtshof IV ZR 26/05
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Bundesgerichtshof Urteil26.04.2006

BGH weist Wiederaufnahme des Verfahrens um Pflicht­teils­ansprüche am Hausvermögen des preußischen Königshauses zurück§ 79 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz verbiete im Interesse der Rechts­si­cherheit die Wiederaufnahme des Verfahrens

Im Streit um die Erbfolge in das Hausvermögen des früheren preußischen Königshauses hat der Bundes­ge­richtshof über die Revision zweier Prinzen gegen ein Urteil des Hanseatischen Oberlan­des­ge­richts in Bremen entschieden. Sie erstreben die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Pflicht­teil­spro­zesses.

In jenem Verfahren ging es um Pflicht­teils­ansprüche nach ihrem Vater, dem 1994 verstorbenen Prinzen Louis Ferdinand. Das Hausvermögen des preußischen Königshauses stand dem Prinzen Louis Ferdinand nach einem Erbvertrag aus dem Jahre 1938 allerdings nur als Vorerbe zu. Es wäre nur dann in den für die geltend gemachten Pflicht­teils­ansprüche maßgebenden Nachlass gefallen, wenn der Erbvertrag nichtig wäre. Diesen Standpunkt vertreten die Kläger u. a. im Hinblick auf eine Bestimmung des Erbvertrages, wonach ein Sohn des Prinzen Louis Ferdinand nicht Nacherbe sein kann, wenn er mit einer Frau verheiratet ist, die nicht aus einer dem Hause Preußen ebenbürtigen Familie stammt.

Die Klage auf den Pflichtteil blieb ohne Erfolg. Das Hanseatische Oberlan­des­gericht in Bremen hielt den Erbvertrag in einem Urteil vom 23. Mai 2002 nicht für unwirksam. Zur Begründung bezog es sich u. a. auf den Beschluss des IV. Zivilsenats vom 2. Dezember 1998 (BGHZ 140, 118 ff.), der im Erbscheins­ver­fahren über die Erbfolge nach dem 1951 gestorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen ergangen war. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde gegen das Urteil vom 23. Mai 2002 wurde vom Senat zurückgewiesen, eine Verfas­sungs­be­schwerde vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Aufgrund der Verfas­sungs­be­schwerde eines anderen Beteiligten im Erbscheins­ver­fahren hob das Bundes­ver­fas­sungs­gericht durch Beschluss vom 22. März 2004 den Senatsbeschluss BGHZ 140, 118 ff. auf. Daraufhin haben die Kläger im vorliegenden Verfahren Resti­tu­ti­o­nsklage beim Hanseatischen Oberlan­des­gericht in Bremen erhoben, die durch Urteil vom 10. Dezember 2004 abgewiesen wurde. Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts kann der Beschluss BGHZ 140, 118 ff. nicht einem präjudiziellen Urteil im Sinne von § 580 Nr. 6 ZPO gleichgestellt werden. Im Übrigen stehe nach dem Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts noch nicht fest, dass der Erbvertrag aus dem Jahre 1938 nichtig sei.

Die Revision gegen dieses Urteil des Hanseatischen Oberlan­des­ge­richts in Bremen hat der IV. Zivilsenat zurückgewiesen. Er stützt sich dabei auf § 79 BVerfGG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine abschließende Regelung für die Folgen von Entscheidungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts geschaffen, in denen die Verfas­sungs­wid­rigkeit einer Norm, ihrer Auslegung oder der Rechtsanwendung durch die Fachgerichte festgestellt wird. Im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechts­si­cherheit bleiben – abgesehen von Strafurteilen – rechtskräftige Entscheidungen in anderen Verfahren, die nicht vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht aufgehoben worden sind, trotz nachträglich erkannter Verfas­sungs­wid­rigkeit unberührt. Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für die Rechtsanwendung vorgegebenen Maßstäbe sind von den Gerichten zwar bei zukünftigen Entscheidungen zu beachten, ändern aber nichts daran, dass ein bereits unanfechtbar abgeschlossenes Verfahren Bestand behält. Allerdings darf aus den rechtskräftig gewordenen Entscheidungen nicht mehr vollstreckt werden.

Erläuterungen
Vorinstanz

OLG Bremen – 5 U 29/05 – Entscheidung vom 10. Dezember 2004

Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz § 79 in der Fassung vom 11. August 1993:

(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Straf­pro­zess­ordnung zulässig.

(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangs­voll­streckung nach den Vorschriften der Zivil­pro­zeß­ordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivil­pro­zeß­ordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerecht­fer­tigter Bereicherung sind ausgeschlossen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 65/06 des BGH vom 26.04.2006

der Leitsatz

ZPO § 580 Nr. 6; BVerfGG § 79

1. Die Regelung der Folgen einer Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts für rechtskräftig abgeschlossene andere Verfahren in § 79 BVerfGG hat Vorrang vor dem Resti­tu­ti­o­nsrecht der Zivil­pro­zess­ordnung, insbesondere dem § 580 Nr. 6 ZPO.

2. Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für die Rechtsanwendung vorgegebenen Maßstäbe sind von den Gerichten zwar bei zukünftigen Entscheidungen zu beach-ten, ändern aber nichts daran, dass rechtskräftige Entscheidungen in anderen, nicht straf­recht­lichen Verfahren, die nicht vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht aufgehoben worden sind, unberührt bleiben.

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