Dokument-Nr. 2269
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Bundesgerichtshof Urteil26.04.2006
BGH weist Wiederaufnahme des Verfahrens um Pflichtteilsansprüche am Hausvermögen des preußischen Königshauses zurück§ 79 Bundesverfassungsgerichtsgesetz verbiete im Interesse der Rechtssicherheit die Wiederaufnahme des Verfahrens
Im Streit um die Erbfolge in das Hausvermögen des früheren preußischen Königshauses hat der Bundesgerichtshof über die Revision zweier Prinzen gegen ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen entschieden. Sie erstreben die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Pflichtteilsprozesses.
In jenem Verfahren ging es um Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater, dem 1994 verstorbenen Prinzen Louis Ferdinand. Das Hausvermögen des preußischen Königshauses stand dem Prinzen Louis Ferdinand nach einem Erbvertrag aus dem Jahre 1938 allerdings nur als Vorerbe zu. Es wäre nur dann in den für die geltend gemachten Pflichtteilsansprüche maßgebenden Nachlass gefallen, wenn der Erbvertrag nichtig wäre. Diesen Standpunkt vertreten die Kläger u. a. im Hinblick auf eine Bestimmung des Erbvertrages, wonach ein Sohn des Prinzen Louis Ferdinand nicht Nacherbe sein kann, wenn er mit einer Frau verheiratet ist, die nicht aus einer dem Hause Preußen ebenbürtigen Familie stammt.
Die Klage auf den Pflichtteil blieb ohne Erfolg. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hielt den Erbvertrag in einem Urteil vom 23. Mai 2002 nicht für unwirksam. Zur Begründung bezog es sich u. a. auf den Beschluss des IV. Zivilsenats vom 2. Dezember 1998 (BGHZ 140, 118 ff.), der im Erbscheinsverfahren über die Erbfolge nach dem 1951 gestorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen ergangen war. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 23. Mai 2002 wurde vom Senat zurückgewiesen, eine Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.
Aufgrund der Verfassungsbeschwerde eines anderen Beteiligten im Erbscheinsverfahren hob das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 22. März 2004 den Senatsbeschluss BGHZ 140, 118 ff. auf. Daraufhin haben die Kläger im vorliegenden Verfahren Restitutionsklage beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen erhoben, die durch Urteil vom 10. Dezember 2004 abgewiesen wurde. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts kann der Beschluss BGHZ 140, 118 ff. nicht einem präjudiziellen Urteil im Sinne von § 580 Nr. 6 ZPO gleichgestellt werden. Im Übrigen stehe nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts noch nicht fest, dass der Erbvertrag aus dem Jahre 1938 nichtig sei.
Die Revision gegen dieses Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen hat der IV. Zivilsenat zurückgewiesen. Er stützt sich dabei auf § 79 BVerfGG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine abschließende Regelung für die Folgen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geschaffen, in denen die Verfassungswidrigkeit einer Norm, ihrer Auslegung oder der Rechtsanwendung durch die Fachgerichte festgestellt wird. Im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit bleiben – abgesehen von Strafurteilen – rechtskräftige Entscheidungen in anderen Verfahren, die nicht vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden sind, trotz nachträglich erkannter Verfassungswidrigkeit unberührt. Die vom Bundesverfassungsgericht für die Rechtsanwendung vorgegebenen Maßstäbe sind von den Gerichten zwar bei zukünftigen Entscheidungen zu beachten, ändern aber nichts daran, dass ein bereits unanfechtbar abgeschlossenes Verfahren Bestand behält. Allerdings darf aus den rechtskräftig gewordenen Entscheidungen nicht mehr vollstreckt werden.
Erläuterungen
VorinstanzOLG Bremen – 5 U 29/05 – Entscheidung vom 10. Dezember 2004
Bundesverfassungsgerichtsgesetz § 79 in der Fassung vom 11. August 1993:
(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zulässig.
(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 65/06 des BGH vom 26.04.2006
der Leitsatz
ZPO § 580 Nr. 6; BVerfGG § 79
1. Die Regelung der Folgen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für rechtskräftig abgeschlossene andere Verfahren in § 79 BVerfGG hat Vorrang vor dem Restitutionsrecht der Zivilprozessordnung, insbesondere dem § 580 Nr. 6 ZPO.
2. Die vom Bundesverfassungsgericht für die Rechtsanwendung vorgegebenen Maßstäbe sind von den Gerichten zwar bei zukünftigen Entscheidungen zu beach-ten, ändern aber nichts daran, dass rechtskräftige Entscheidungen in anderen, nicht strafrechtlichen Verfahren, die nicht vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden sind, unberührt bleiben.
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