Dokument-Nr. 3288
Permalink https://urteile.news/
Bundesfinanzhof Beschluss02.08.2006
Rückwirkend verschärfte Besteuerung von Entlassungsentschädigungen verfassungswidrig?Bundesfinanzhof ruft Bundesverfassungsgericht an
Erneut hatte sich der Bundesfinanzhof in zwei Fällen mit der rückwirkend schärferen Einkommensbesteuerung von Entlassungsentschädigungen zu befassen.
In einem Fall war im Oktober 1996 die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 gegen Zahlung einer im Januar 1999 fälligen Entschädigung vereinbart worden. Im anderen Fall erfolgte die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im November 1998 mit Wirkung zum 30. Juni 1999; die Entschädigung wurde abredegemäß im März 1999 ausgezahlt. Für beide Fälle schreibt das im März 1999 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 geänderte Einkommensteuergesetz eine ungünstigere Besteuerung vor, als sie im Zeitpunkt der jeweiligen Aufhebungsvereinbarung gegolten hatte (sog. Fünftelregelung anstelle des bisherigen halben Steuersatzes).
Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs hat die rückwirkende Schlechterstellung für verfassungswidrig gehalten und die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem folgend des Bundesfinanzhofs hält der XI. Senat in seinen Vorlagen an der bisherigen sog. Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung nicht mehr fest. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Rechtssicherheit erfordere, dass der Steuerpflichtige darauf vertrauen könne, dass sich die Besteuerung nach dem Gesetz richte, das beim Zufluss der Entschädigung und damit zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes gelte. Nur in besonders begründeten Fällen (Missbrauchsbekämpfung, zwingendes öffentliches Interesse u.ä.), die hier nicht vorlägen, dürfe der Gesetzgeber die im Zeitpunkt der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands geltende Rechtslage im Wege einer echten Rückwirkung zu ungunsten des Bürgers ändern. Sollte das Bundesverfassungsgericht dieser Ansicht folgen, hätte dies über die beiden Streitverfahren hinaus weit reichende Folgerungen für die Beurteilung rückwirkender Steuergesetze.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.11.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 52/06 des BFH vom 11.10.2006
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss3288
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.