21.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil25.02.2015

Für Umsatz­steuer­frei­heit bei inner­gemeinschaft­lichen Lieferungen im Rahmen eines "Reihengeschäfts" sind objektive Umstände entscheidendZuordnung des Warentransports bei Reihen­ge­schäften

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass bei sogenannten Reihen­ge­schäften die Prüfung, welche von mehreren Lieferungen über ein und denselben Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6 a Abs. 1 des Umsatz­steuer­gesetzes (UStG) steuerfrei ist, anhand der objektiven Umstände und nicht anhand der Erklärungen der Beteiligten vorzunehmen ist; Erklärungen des Erwerbers können allerdings im Rahmen der Prüfung des Vertrau­ens­schutzes (§ 6 a Abs. 4 UStG) von Bedeutung sein.

Eine umsatz­steu­erfreie inner­ge­mein­schaftliche Lieferung setzt unter anderem voraus, dass der gelieferte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) befördert oder versendet wird. Dies festzustellen bereitet insbesondere bei sog. Reihen­ge­schäften immer wieder Schwierigkeiten: Liefert ein Unternehmer (A) Waren an einen anderen Unternehmer (B), der diese an einen dritten Unternehmer (C) weiterliefert, kann nur diejenige Lieferung umsatz­steu­erfrei sein, der der Warentransport in den anderen Mitgliedstaat zuzuordnen ist.

Finanzamt verneint Steuerfreiheit

Im Verfahren XI R 15/14 verkaufte eine deutsche GmbH (A) im Jahr 1998 zwei Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen (B). B teilte A auf Anfrage lediglich die Umsatzsteuer-Identi­fi­ka­ti­o­ns­nummer eines finnischen Unternehmens (C) mit, an die es die Maschinen weiterverkauft habe. Die Maschinen wurden von einer von B beauftragten Spedition bei A abgeholt und zu C nach Finnland verschifft. Das Finanzamt behandelte die Lieferung der A nicht als steuerfrei, weil B keine Umsatzsteuer-Identi­fi­ka­ti­o­ns­nummer eines Mitgliedstaats der EU verwendet habe.

EuGH: Mögliche Steuerfreiheit ist anhand aller objektiven Umstände des Einzelfalls zu prüfen

Nach Ansicht des zuvor auf Vorlage des Bundes­fi­nanzhofs mit dem Streitfall befassten Gerichtshof der Europäischen Union ist bei sogenannten Reihen­ge­schäften regelmäßig die Lieferung von A an B umsatz­steu­erfrei; anders ist es jedoch, wenn B der C bereits Verfügungsmacht an der Ware verschafft hat, bevor die Ware das Inland verlassen hat. Dies ist anhand aller objektiven Umstände des Einzelfalls und nicht lediglich anhand der Erklärungen des B zu prüfen.

BFH: Erste Lieferung im Zweifel steuerfrei

Unternehmer A, das Finanzamt und das Finanzgericht konnten im Nachhinein nicht mehr ermitteln, wann B die Verfügungsmacht an den Waren der C verschafft hatte. Das Finanzgericht gab deshalb der Klage statt. Der Bundesfinanzhof bestätigte dieses Ergebnis. § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthalte die gesetzliche Vermutung, dass im Zweifel die erste Lieferung (von A an B) steuerfrei sei. Diese greife im Streitfall. Trotz der bestehenden praktischen Schwierigkeiten sei nach derzeitiger Rechtslage an den genannten Rechts­grund­sätzen festzuhalten. Eventuelle Recht­s­än­de­rungen vorzunehmen sei Aufgabe des Gesetz- oder Richt­li­ni­en­gebers.

Bundesfinanzhof verweist auf eine für Unternehmer bestehende Absiche­rungs­mög­lichkeit

Im Rahmen seines Urteils zeigte der Bundesfinanzhof außerdem eine für die Unternehmer bestehende Absiche­rungs­mög­lichkeit auf: Nach Auffassung des Bundes­fi­nanzhofs kann sich z.B. A von B versichern lassen, dass B die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlassen hat. Verstößt B gegen diese Versicherung, kommt die Gewährung von Vertrau­ens­schutz für A in Betracht und B schuldet ggf. die deutsche Umsatzsteuer (§ 6 a Abs. 4 UStG).

Weitere Entscheidung zur umsatz­steu­er­recht­lichen Behandlung von Reihen­ge­schäften

In einem zweiten Urteil vom selben Tag (XI R 30/13), ebenfalls zur umsatz­steu­er­recht­lichen Behandlung von Reihen­ge­schäften, stellte der Bundesfinanzhof klar, dass auch dann, wenn der zweite Erwerber (C) eine Spedition mit der Abholung von Waren beim Unternehmer (A) beauftragt, eine Steuerbefreiung der Lieferung des A an B möglich ist, wenn C die Verfügungsmacht an den Waren erst erhalten hat, nachdem diese das Inland verlassen haben. Dies sei bei einer Beförderung durch eine von C beauftragte Spedition zwar eher unwahr­scheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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