23.11.2024
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Dokument-Nr. 151

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Bundesfinanzhof Beschluss30.11.2004

BFH ruft BVerfG an: Zur Versteuerung hälftigen KindesgeldesSoweit hälftiges Kindergeld zur Einkommensteuer des barun­ter­halts­pflichtigen Elternteils hinzugerechnet, aber unter­halts­rechtlich nicht angerechnet wird, ist Besteuerung verfas­sungs­widrig

Seit Einführung des Famili­en­leis­tungs­aus­gleichs durch das Jahressteu­er­gesetz (JStG) 1996 können Kindergeld und Kinder­frei­betrag nicht mehr nebeneinander, sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden.

Werden Kinder­frei­beträge abgezogen, weil ihre Entlas­tungs­wirkung höher ist als das gezahlte Kindergeld, so wird das gezahlte Kindergeld (ab 2004: der Anspruch auf Kindergeld) der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes - EStG - 2001), um eine doppelte Begünstigung zu vermeiden.

Bei Eltern, die nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird das Kindergeld in voller Höhe an den Elternteil ausgezahlt, der mit dem Kind zusammenlebt und es betreut (§ 64 EStG). Da aber die kindbedingten steuerlichen Entlastungen nach dem sog. Halbtei­lungs­grundsatz beiden Elternteilen zustehen, hat der andere Elternteil, der seine Unter­halts­pflicht gegenüber dem Kind durch laufende monatliche Unter­halts­zah­lungen erfüllt, einen zivil­recht­lichen Anspruch auf Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf seine Unter­halts­ver­pflichtung (§ 1612 b Abs. 1 BGB). Diese Anrechnung unterbleibt jedoch nach § 1612 b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes vom 2. November 2000 (BGBl. I 2000, 1479), soweit der Unter­halts­pflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber allein­er­ziehende Eltern unter­halts­rechtlich entlasten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun mit Beschluss vom 30. November 2004 VIII R 51/03 das Bundes­ver­fas­sungs­gericht (BVerfG) angerufen, weil nach seiner Auffassung die Regelung des § 1612 b Abs. 5 BGB in vielen Fällen zu einer verfas­sungs­widrigen Besteuerung zum Barunterhalt verpflichteter Elternteile führt. Das Gericht hält die Regelungen des EStG über den Famili­en­las­te­n­aus­gleich insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, als danach bei Steuer­pflichtigen, deren Einkommen um die Kinder­frei­beträge gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch dann um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, wenn ihnen das Kindergeld wirtschaftlich nicht in dieser Höhe zugute gekommen ist, weil die Anrechnung des Kindergelds auf ihre Unter­halts­ver­pflichtung nach § 1612 b Abs. 5 BGB ganz oder teilweise unterblieben ist. 70 v.H. der Barun­ter­halts­pflichtigen seien von der Regelung des § 1612 b Abs. 5 BGB betroffen; damit werde der Mehrheit die Entlas­tungs­wirkung der Kinder­frei­beträge zumindest teilweise wieder genommen.

Nach Auffassung des BFH ist dieses Ergebnis unvereinbar mit dem verfas­sungs­recht­lichen Grundsatz, dass der Staat das Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es für den existenz­not­wendigen Bedarf des Steuer­pflichtigen und seiner Familie benötigt wird.

Quelle: Pressemitteilung 5/05 des BFH vom 02.02.2005

der Leitsatz

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgeblichen Fassung insoweit mit dem GG vereinbar sind, als danach bei Steuer­pflichtigen, deren Einkommen gemäß § 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach § 1612 b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindes­un­ter­halts­rechts vom 2. November 2000 (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaft­lichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen --die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unter­schrei­tenden-- Unter­halts­zah­lungen des Steuer­pflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind.

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