24.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil15.12.2010

Insol­venz­ver­walter mit qualifizierten Mitarbeitern sind in der Regel nicht gewer­be­steu­er­pflichtigFreiberufliche Tätigkeit mit Fachkräften möglich, sofern Insol­venz­ver­walter eigen­ver­ant­wortlich tätig bleibt

Insol­venz­ver­walter werden nicht automatisch gewer­be­steu­er­pflichtig, wenn sie mehrere qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden und seine bisher anders lautende Rechtsprechung geändert.

Im vorliegenden Fall waren zwei zu einer Gesellschaft zusam­men­ge­schlossene Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter tätig. Sie hatten dafür verschiedene qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt. Sie rechneten ihre Tätigkeit zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts und damit zur freiberuflichen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG).

Finanzamt setzte Gewer­be­steu­er­mess­beträge fest

Das Finanzamt ordnete die Einkünfte hingegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein und setzte Gewer­be­steu­er­mess­beträge fest: Die Tätigkeit als Insol­venz­ver­walter führe grundsätzlich zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Würden dabei aber qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt, handele es sich um gewerbliche Einkünfte, die die Gewer­be­steu­er­pflicht auslösten.

BFH gibt Klägerin im Ergebnis Recht

Der Bundesfinanzhof gab der klagenden Gesellschaft im Ergebnis Recht. Allerdings hielt er an seiner bisherigen Beurteilung fest, dass die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichs­ver­walters eine vermö­gens­ver­waltende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.

Freiberufliche Tätigkeit auch mit fachlich vorgebildeten Arbeitskräften gegeben

Der Bundesfinanzhof gab jedoch die vom Reichsfinanzhof entwickelte so genannte Verviel­fäl­ti­gungs­theorie auf, nach der der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter dem "Wesen des freien Berufs" widersprach und deshalb zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit und zur Gewer­be­steu­er­pflicht führte. Der Gesetzgeber hatte sich davon bereits 1960 gelöst und in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geregelt, dass eine freiberufliche Tätigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein Freiberufler fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzt, sofern er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigen­ver­ant­wortlich tätig bleibt. Für Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG hatte die bisherige Rechtsprechung hingegen an der Verviel­fäl­ti­gungs­theorie festgehalten, so dass derartige Tätigkeiten - wie die Insol­venz­ver­waltung - grundsätzlich ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden mussten, um die Gewer­be­steu­er­pflicht zu vermeiden. In diesem Punkt hat der Bundesfinanzhof nunmehr seine Rechtsprechung geändert: Die Regelung für freie Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, nach der der Einsatz qualifizierten Personals grundsätzlich zulässig sei, gelte für die sonstige selbständige Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG entsprechend. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für die verschiedenen Arten von selbständiger Arbeit habe unterschiedlich beurteilt sehen wollen. Für eine solche Ungleich­be­handlung sei auch kein nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes sachlich begründetes Unter­schei­dungs­merkmal ersichtlich.

Insol­venz­ver­walter muss u. a. zentrale Aufgaben selbst wahrnehmen

Danach erzielt ein Insolvenz- oder Zwangsverwalter, der qualifiziertes Personal einsetzt, Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (und ist folglich nicht gewer­be­steu­er­pflichtig), wenn er über das "Ob" der im Insol­venz­ver­fahren erforderlichen Einzelakte (z. B. Entlassung von Arbeitnehmern, Verwertung der Masse) persönlich entschieden hat. Auch zentrale Aufgaben des Insol­venz­ver­fahrens hat er im Wesentlichen selbst wahrzunehmen, wie z.B. die Erstellung der gesetzlich vorge­schriebenen Berichte, des Insolvenzplans und der Schlussrechnung. Die kaufmännisch-technische Umsetzung seiner Entscheidungen kann er indes auf Dritte übertragen.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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