14.11.2024
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Dokument-Nr. 4380

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Bundesfinanzhof Urteil19.04.2007

Bundesfinanzhof zum Vorsteuerabzug bei privater Nutzung einer Wohnung im Unter­neh­mens­gebäudeUnzulässig rückwirkende Anwendung eines steuer­ver­schär­fenden Gesetzes durch die Finanz­ver­waltung

Ein Unternehmer darf ein Gebäude, das er zum Teil für Zwecke seines Unternehmens mit besteuerten Umsätzen und im Übrigen für nicht­un­ter­neh­me­rische Zwecke (z.B. als Privatwohnung) nutzt, in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen. Da nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aus 2003 die (unentgeltliche) nicht­un­ter­neh­me­rische Nutzung des Gebäudes nicht wie ein Vermie­tungs­umsatz umsatz­steu­erfrei ist, verwendet der Unternehmer damit das Gebäude insgesamt für besteuerte Umsätze und hat das Recht auf vollen Abzug der für die Anschaffung berechneten Umsatzsteuer als Vorsteuer.

Zum Ausgleich dieses auch auf den privat genutzten Teil entfallenden Vorsteuerabzugs wird die private Nutzung des Unter­neh­mens­ge­bäudes besteuert. Bemes­sungs­grundlage waren nach bisheriger deutscher Praxis die für die Nutzung anfallenden Kosten, insbes. die nach ertrag­steu­er­lichen Abschrei­bungs­grund­sätzen verteilten Anschaffungs- oder Herstel­lungs­kosten, also bei allgemein angenommener Nutzungsdauer von 50 Jahren 2 % der Anschaffungs-/Herstel­lungs­kosten.

Zudem konnte der Unternehmer das Gebäude nach Ablauf des Vorsteu­er­be­rich­ti­gungs­zeitraums von 10 Jahren nach § 15 a Umsatz­steu­er­gesetz (UStG) ggf. umsatz­steu­erfrei veräußern, ohne dass es zu einer weiteren Berichtigung des verbleibenden (abgezogenen) Vorsteu­er­betrags kam.

Das ergab eine beachtliche Ungleich­be­handlung zugunsten des Unternehmers als Endverbraucher gegenüber dem Privatmann.

Die Finanz­ver­waltung ordnete daher mit Schreiben des Bundes­mi­nis­teriums der Finanzen (BMF) vom 13. April 2004 an, die Verteilung der vorsteu­er­be­lasteten Herstel­lungs­kosten müsse sich am Berich­ti­gungs­zeitraum von 10 Jahren (für Grundstücke), im Übrigen 5 Jahren orientieren; nur so könne im Interesse der steuerlichen Neutralität der vorgenommene Vorsteuerabzug durch die Besteuerung des "Eigenverbrauchs" wirksam ausgeglichen werden,

Das BMF Schreiben galt mit Wirkung vom 1. Juli 2004, darüber hinaus aber für alle davor liegenden noch "offenen Fälle", in denen der Unternehmer sich auf die Steuerpflicht seiner Privatnutzung mit Vorsteu­er­ab­zugsrecht nach der EuGH-Rechtsprechung berief.

Zum Bundesfinanzhof (BFH) kam das Revisi­ons­ver­fahren eines von dieser Verwal­tung­s­praxis betroffenen Unternehmers. Dieser hatte für sein im Jahr 2001 errichtetes gemischt genutztes Gebäude den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht und die Eigennutzung der Wohnung des Gebäudes mit den auf 50 Jahren verteilten Herstel­lungs­kosten des Gebäudes als Bemes­sungs­grundlage erklärt. Er wurde vom Finanzamt mit der erhöhten Bemes­sungs­grundlage für die Privatnutzung belegt.

Der Bundesfinanzhof verneinte eine Rechtsgrundlage für diese "Rückwirkung". Der Gesetzgeber hatte nach dem BMF-Schreiben die Vorschrift über die Bemes­sungs­grundlage für die nicht­un­ter­neh­me­rische Verwendung von Unter­neh­mens­ge­gen­ständen entsprechend geändert, und zwar mit Wirkung vom 1. April 2004.

Der Europäische Gerichtshof beurteilte inzwischen diese Neuregelung als mit dem Gemein­schaftsrecht vereinbar, erachtete aber auch die bisherige deutsche Praxis als gemein­schafts­rechts­konform.

Der Bundesfinanzhof verwarf daher die Ansicht der Finanz­ver­waltung, das BMF-Schreiben vom 13. April 2004 habe lediglich eine geänderte Auslegung der Bemes­sungs­grund­la­gen­re­gelung eingeführt, die wie üblich auf alle noch offenen einschlägigen Fälle anwendbar sei. Das Gericht beurteilte die Regelung vielmehr als materi­ell­rechtliche Änderung des bisher geltenden nationalen Rechts. Da der Gesetzgeber zudem nur eine Rückwirkung zum 1. April 2004 vorgesehen habe, sei damit eine durch die Verwaltung angenommene weitere Rückwirkung unvereinbar.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 49/07 des BFH vom 13.06.2007

der Leitsatz

UStG 1999 § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2

Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c

Die Neuregelung der Bemes­sungs­grundlage in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 durch das EURLUmsG vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) gilt mit Wirkung vom 1. Juli 2004. Soweit sich das zuvor erlassene BMF-Schreiben vom 13. April 2004 (BStBl I 2004, 468) als "Interpretation" des bisherigen Kostenbegriffs in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 a.F. Rückwirkung auf davor liegende "offene" Besteu­e­rungs­zeiträume beilegt, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage.

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