15.11.2024
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Dokument-Nr. 10905

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Bundesfinanzhof Beschluss07.12.2010

BFH: Rückwirkende Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG bei im Voraus geleisteten Erbbauzinsen verfas­sungs­widrigBFH äußert Bedenken an Neuregelung und ruft Bundes­ver­fas­sungs­gericht an

Der Bundesfinanzhof hält die rückwirkende Einführung einer Regelung über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfas­sungs­widrig und hat daher zur Klärung dieser Frage das Bundes­ver­fas­sungs­gericht angerufen.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG) in der Fassung des Richtlinien-Umset­zungs­ge­setzes vom 9. Dezember 2004 sind Ausgaben, die für eine Nutzungs­über­lassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum zu verteilen, für den sie geleistet werden. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen nach dem 31. Dezember 2003 anzuwenden.

BFH hält Neuregelung für unvereinbar mit verfas­sungs­recht­lichen Grundsätzen des Vertrau­ens­schutzes

Nach Auffassung des Bundes­fi­nanzhofs ist diese Neuregelung mit den verfas­sungs­recht­lichen Grundsätzen des Vertrau­ens­schutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.

Sachverhalt des Streitfalls

Im Streitfall hatte der Steuer­pflichtige im August 2004 einen Miterb­bau­rechts­anteil an einem Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Eigen­tums­wohnung erworben. Er sollte zusammen mit dem Kaufpreis 36.350 Euro zahlen, um die Erbbau­zins­ansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts abzugelten und tat dies im September 2004. Sein Begehren, die 36.350 Euro als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen, hatte – wegen § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG – beim Finanzamt und Finanzgericht keinen Erfolg.

Erbbauzinsen sind Nutzungsentgelt und nicht Anschaf­fungs­kosten des Rechts

Der Bundesfinanzhof hält das Vertrauen des Steuer­pflichtigen in die im August/September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaf­fungs­kosten des Rechts. Das dazu in Widerspruch stehende Schreiben des Bundes­fi­nanz­mi­nis­teriums vom 10. Dezember 1996 hatte der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 23. September 2003 zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanz­ver­waltung das Urteil des Bundes­fi­nanzhofs (durch Nicht­ver­öf­fent­lichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuer­pflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigt: Der Bundesfinanzhof entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewal­ten­dif­fe­ren­zierung würde in Frage gestellt, könnte die Finanz­ver­waltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen.

Rückwirkung mit grund­recht­lichem und rechts­s­taat­lichem Vertrau­ens­schutz unvereinbar

Das Vertrauen des Bürgers ist durch die Rückwirkung mithin enttäuscht. Da sich die (unechte) Rückwirkung auch nicht durch die vom Gesetzgeber genannten Gründe, Mehreinkünfte zu erzielen, hinreichend rechtfertigen lässt, ist sie mit dem grund­recht­lichen und rechts­s­taat­lichen Vertrau­ens­schutz unvereinbar und deshalb nach Auffassung des vorlegenden Senats verfassungswidrig.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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