15.11.2024
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Urteil17.07.2008BundesfinanzhofI R 77/06
Vorinstanz:
  • Finanzgericht Düsseldorf, Urteil12.05.2006, 18 K 5588/03 F
ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Urteil17.07.2008

Keine "Steue­rent­strickung" bei Überführung von Wirtschafts­gütern in eine ausländische Betriebsstätte

Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung zur sog. Theorie der finalen Entnahme aufgegeben. Sie betrifft die Pflicht eines Unternehmens, die in einem Wirtschaftsgut angesammelten stillen Reserven sofort aufzudecken, wenn dieses Wirtschaftsgut aus dem Inland in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird. Eine derartige Pflicht hat der Bundesfinanzhof nun verneint. Die Klägerin, eine deutsche Komman­dit­ge­sell­schaft, konnte ihre Beteiligung an einer US-amerikanischen Kapital­ge­sell­schaft deshalb "steuerneutral" als Sacheinlage in eine österreichische Komman­dit­ge­sell­schaft einbringen.

In der Zeit vor Einfügung des § 6 Abs. 5 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG) im Jahr 1999 bestand nach überein­stim­mender Sicht von Rechtsprechung und Finanz­ver­waltung die Möglichkeit einer steuerneutralen Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betrie­bs­vermögen des Steuer­pflichtigen als Sacheinlage in eine Perso­nen­ge­sell­schaft, soweit die Besteuerung der stillen Reserven im Inland sichergestellt war. Das Erfordernis der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven hatte die ältere BFH-Rechtsprechung zur Überführung von Wirtschafts­gütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte allerdings als eine die Besteuerung auslösende Entnahme behandelt, wenn die ausländischen Betrie­bs­s­tät­ten­gewinne aufgrund eines Doppel­be­steu­e­rungs­ab­kommens (DBA) von der Besteuerung im Inland freigestellt waren. Diese Rechtsprechung, die im neueren steuer­recht­lichen Schrifttum nahezu einhellig als überholt angesehen wird, hat der Bundesfinanzhof jetzt aufgeben. Eine Freistellung der ausländischen Betrie­bs­s­tät­ten­gewinne durch ein DBA beeinträchtigt nach heutiger Erkenntnis nicht die spätere Möglichkeit einer Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven des überführten Wirtschaftsguts, wenn sich diese --z.B. durch eine Veräußerung-- tatsächlich realisieren. Für eine sofortige Besteuerung fehlte es deshalb sowohl an einer Rechtsgrundlage als auch an einem Bedürfnis.

Mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wurde zwischen­zeitlich allerdings ein sog. Entstri­ckungs­pa­ragraf in das Gesetz eingefügt, der darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für die „Theorie der finalen Entnahme“ zu schaffen. Die neue Regelungslage wirkt vom Veran­la­gungs­zeitraum 2006 an.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 95/08 des BFH vom 08.10.2008

der Leitsatz

1. Die Einbringung eines Wirtschaftsguts als Sacheinlage in eine KG ist ertrag­steu­er­rechtlich auch insoweit als Veräu­ße­rungs­ge­schäft anzusehen, als ein Teil des Einbrin­gungswerts in eine Kapitalrücklage eingestellt worden ist (entgegen BMF-Schreiben vom 26. November 2004, BStBl I 2004, 1190).

2. Die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapital­ge­sell­schaft ist kein Teilbetrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UmwStG 1995. Die Fiktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht entsprechend anwendbar (entgegen BMF-Schreiben vom 16. Juni 1978, BStBl I 1978, 235, Tz. 81; vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 24.03).

3. Die Überführung eines Einzel­wirt­schaftsguts aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische (hier: österreichische) Betriebsstätte führte im Zeitraum vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 auch dann nicht zur sofortigen Gewinn­re­a­li­sation, wenn die ausländischen Betrie­bs­s­tät­ten­gewinne aufgrund eines Doppel­be­steu­e­rungs­ab­kommens von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (Änderung der Rechtsprechung: Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme). Das gilt auch für die Einbringung einer Sacheinlage durch eine Perso­nen­ge­sell­schaft in eine Tochter-Perso­nen­ge­sell­schaft.

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