21.11.2024
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Dokument-Nr. 32973

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Urteil06.06.2023Bundesarbeitsgericht9 AZR 383/19
Vorinstanz:
  • Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil19.08.2019, 9 Sa 268/18
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil06.06.2023

Betriebsrats­vorsitzender kann nicht gleichzeitig Daten­schutz­beauftragter seinWichtiger Grund für Widerruf gegeben

Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Daten­schutz­beauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 gültigen Fassung (aF) zu widerrufen. Das hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Der bei der Beklagten angestellte Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats und in dieser Funktion teilweise von der Arbeit freigestellt. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 wurde er von der Beklagten und weiteren in Deutschland ansässigen Tochter­ge­sell­schaften zum Daten­schutz­be­auf­tragten bestellt. Auf Veranlassung des Thüringer Landes­be­auf­tragten für Datenschutz und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit widerriefen die Beklagte und die weiteren Konzern­un­ter­nehmen die Bestellung des Klägers am 1. Dezember 2017 wegen einer Inkom­pa­ti­bilität der Ämter mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Auf-hebung der Richtlinie (RL) 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) beriefen sie den Kläger vorsorglich mit Schreiben vom 25. Mai 2018 gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO als Daten­schutz­be­auf­tragten ab.

Inter­es­sen­kon­flikte bei Ausübung beider Ämter?

Der Kläger hat geltend gemacht, seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Inter­es­sen­kon­flikte bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Daten­schutz­be­auf­tragter und Betriebsratsvorsitzender ließen sich nicht ausschließen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stellten einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Widerrufung der Bestellung aus wichtigem Grund gerechtfertigt

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten hatte vor dem Bundes­a­r­beits­ge­richts Erfolg. Der Widerruf der Bestellung vom Dezember 2017 war aus wichtigem Grund iSv. § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF iVm. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufga­be­n­er­füllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit iSv. § 4 f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF nicht (mehr) besitzt. Die Zuverlässigkeit kann in Frage stehen, wenn Inter­es­sen­kon­flikte drohen. Ein abberu­fungs­re­le­vanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Daten­schutz­be­auf­tragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union zu einem Inter­es­sen­konflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorgenommene Wertung gilt nicht erst seit Novellierung des Daten­chutz­rechts aufgrund der DSGVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG aF.

Beide Ämter sind nicht durch eine Person wegen Inter­es­sen­kol­lision wahrnehmbar

Die Aufgaben eines Betrie­bs­rats­vor­sit­zenden und eines Daten­schutz­be­auf­tragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Inter­es­sen­konflikt ausgeübt werden. Perso­nen­be­zogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremi­ums­be­schluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche perso­nen­be­zogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Daten­schutz­be­auf­tragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betrie­bs­rats­vor­sit­zenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Daten­schutz­be­auf­tragten erforderliche Zuverlässigkeit iSv. § 4 f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF auf.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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