15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 34548

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Urteil12.11.2024Bundesarbeitsgericht9 AZR 13/24
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil09.11.2023, 5 Sa 180/23Land
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil12.11.2024

Kein Konzernprivileg, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wirdBundes­arbeits­gericht zum Konzernprivileg bei Arbeit­neh­mer­über­lassung

Überlässt ein Unternehmen, das einem Konzern angehört, einen Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeits­verhältnisses über mehrere Jahre einem anderen Konzern­un­ter­nehmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgt ist. In diesem Fall kann sich das entleihende Unternehmen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeit­nehmer­überlassungs­gesetz (AÜG) berufen. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Zwischen Entleiher und Leiha­r­beit­nehmer kommt nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeits­ver­hältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiha­r­beit­nehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist. Diese Rechtsfolge tritt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzern­un­ter­nehmen nicht ein, es sei denn, der Arbeitnehmer wird „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“. Der Kläger war vom 14. Juli 2008 bis zum 30. April 2020 bei der S-GmbH als Sitzefertiger angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgelände der Beklagten, einem Unternehmen der Automo­bil­in­dustrie. Die Beklagte und die S-GmbH waren während der Beschäf­ti­gungsdauer des Klägers konzern­ver­bundene Unternehmen. Die genauen Umstände, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbrachte, sind zwischen den Parteien umstritten. Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei nach § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeits­ver­hältnis zustande gekommen, weil er seit Anbeginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiha­r­beit­nehmer eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkver­trag­licher Natur gewesen, sondern als Arbeit­neh­mer­über­lassung zu qualifizieren. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG für das Eingreifen des Konzern­pri­vilegs bejaht, weil der Kläger nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden sei.

Konzernprivileg möglicherweise nicht anwendbar

Diese Begründung hielt der revisi­ons­recht­lichen Prüfung durch das BAG nicht stand. Entgegen der Annahme des LAG ist das Konzernprivileg nicht nur dann unanwendbar, wenn Einstellung „und“ Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäf­ti­gungs­beginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiha­r­beit­nehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis indiziert einen entsprechenden Beschäf­ti­gungszweck.

Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Dieses wird zunächst die erforderlichen Tatsa­chen­fest­stel­lungen zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob eine Arbeit­neh­mer­über­lassung gegeben war und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, ob der Kläger tatsächlich in die Arbeits­or­ga­ni­sation der Beklagten eingegliedert war und deren Weisungen unterlag oder allein die S-GmbH gegenüber dem Kläger weisungsbefugt war.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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