15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 14868

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Urteil13.03.1987Bundesarbeitsgericht7 AZR 601/85
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 1987, 1741Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 1987, Seite: 1741
  • DB 1987, 1494Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 1987, Seite: 1494
  • NJW 1987, 2462Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1987, Seite: 2462
  • NZA 1987, 518Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 1987, Seite: 518
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Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil14.03.1985, 4 sa 3/85
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil13.03.1987

Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet gegen Abmahnungen gerichtlich vorzugehenRichtigkeit einer Abmahnung wird im Kündi­gungs­schutz­prozess geprüft

Wird ein Arbeitnehmer abgemahnt, ist er nicht dazu verpflichtet zur Prüfung der Richtigkeit gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Die Berechtigung zur Abmahnung wird erst im Kündi­gungs­schutz­prozess geklärt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall war ein 32-jähriger Mann bei der Deutschen Bundespost seit 1974 als Fernmel­de­hand­werker beschäftigt. Zum Dienstantritt um 7 Uhr musste er sich bei der Dienststelle telefonisch melden. Seit August 1981 fiel der Arbeitnehmer wegen häufiger verspäteter Anrufe auf. Der Arbeitgeber mahnte dieses Verhalten mit Schreiben von August und September 1981 ab. Diese Abmahnungen nahm der Arbeitnehmer widerspruchslos hin. Es traten in der Folgezeit weitere Verspätungen auf, was zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses im April 1984 führte. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Arbeitnehmers hatte das Landes­a­r­beits­gericht Berlin zurückgewiesen. Es war der Meinung, der Arbeitnehmer habe sich auf die Unrichtigkeit der gerügten Verspätungen nicht berufen können, da er die Abmahnungen nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums angegriffen habe (sog. Verwirkung). Er sei aber dazu verpflichtet gewesen. Dagegen richtete sich die Revision des Arbeitnehmers.

Wiederholte Verspätungen begründen Kündigungsgrund

Das Bundes­a­r­beits­gericht teilte zunächst die Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts, dass wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers nach vorheriger Abmahnung geeignet seien, eine ordentliche Kündigung aus verhal­tens­be­dingten Gründen zu rechtfertigen.

Annahme der Verwirkung war falsch

Das Landes­a­r­beits­gericht sei jedoch fehlerhaft davon ausgegangen, so das Bundes­a­r­beits­gericht weiter, dass der Arbeitnehmer sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf die Unrichtigkeit der abgemahnten Verspätungen berufen könne, da er nicht gegen diese Abmahnungen vorgegangen war. Aus diesem Grund sei das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Berufungs­gericht zurückzuweisen gewesen.

Arbeitnehmer ist berechtigt und nicht verpflichtet Abmahnungen anzugreifen

Nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts sei der Arbeitnehmer zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Aus dem Umstand, dass dem Arbeitnehmer ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Rücknahme und Entfernung des Abmah­nungs­schreibens aus den Personalakten zustehe, könne nicht gefolgert werden, dass er dazu auch verpflichtet sei. Lasse der Arbeitnehmer die Berechtigung einer Abmahnung gerichtlich nicht klären, so könne er weiterhin, in einem späteren Kündi­gungs­schutz­prozess die Richtigkeit der abgemahnten Pflicht­wid­rig­keiten bestreiten. Es sei dann Sache des Arbeitgebers, die Richtigkeit der zwar abgemahnten, aber vom Arbeitnehmer bestrittenen Pflicht­wid­rig­keiten zu beweisen.

Schutz des Arbeitgebers anderweitig möglich

Um den im Kündi­gungs­schutz­prozess beweis­pflichtigen Arbeitgeber vor einem unredlichen Verhalten des Arbeitnehmers zu schützen, bedürfe es nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts in der Regel keines Zurückgreifens auf das Institut der Verwirkung. Ergebe sich im Laufe des Prozesses, dass der Arbeitnehmer die Beweisführung des Arbeitgebers in arglistiger Weise erschwert oder gar vereitelt, so könne es zum Beispiel zu einer Umkehr der Beweislast oder zu einer erweiterten Anwendung der Geständ­nis­funktion des § 138 Abs. 3 ZPO kommen. Ein unredliches Verhalten des Arbeitnehmers liege zum Beispiel dann vor, wenn er mündlich oder schriftlich erklärt habe, gegen die Richtigkeit der abgemahnten Verhal­tens­weisen keine Einwendungen erheben zu wollen, und der Arbeitgeber deshalb davon abgesehen habe, entsprechende Beweismittel zu sichern. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Richtigkeit der abgemahnten Pflicht­wid­rig­keiten befragen und dessen Reaktion bei der Sicherung der Beweismittel berücksichtigen könne.

Kein unredliches Verhalten durch bloßes Untätigbleiben des Arbeitnehmers

Das Bundes­a­r­beits­gericht führte weiterhin aus, dass das bloße Untätigbleiben gegenüber einer Abmahnung noch kein unredliches Verhalten darstelle. Dies gelte ebenso, wenn der Arbeitnehmer durch seine Unterschrift auf dem Abmah­nungs­schreiben zum Ausdruck bringt, von den abgemahnten Verhal­tens­weisen Kenntnis genommen zu haben.

Pflicht zur gerichtlichen Prüfung der Abmahnung führt zu negativen Folgen

In der Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts sah das Bundes­a­r­beits­gericht erhebliche Nachteile. So würden durch die gerichtliche Prüfung von Abmahnungen vor einem Kündi­gungs­schutz­prozess bestehende Arbeits­ver­hältnisse belastet. Für Arbeitnehmer können derartige Prozesse dazu führen, dass der Bestand ihrer Arbeits­ver­hältnisse gefährdet werde. Auch der Arbeitgeber habe in der Regel angesichts des erheblichen Zeit- und Perso­na­l­aufwands und der negativen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis kein Interesse daran, dass die Berechtigung von Abmahnungen bereits vor einem Kündi­gungs­schutz­prozess gerichtlich überprüft werde.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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