Dokument-Nr. 14868
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- BB 1987, 1741Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 1987, Seite: 1741
- DB 1987, 1494Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 1987, Seite: 1494
- NJW 1987, 2462Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1987, Seite: 2462
- NZA 1987, 518Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 1987, Seite: 518
- Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil14.03.1985, 4 sa 3/85
Bundesarbeitsgericht Urteil13.03.1987
Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet gegen Abmahnungen gerichtlich vorzugehenRichtigkeit einer Abmahnung wird im Kündigungsschutzprozess geprüft
Wird ein Arbeitnehmer abgemahnt, ist er nicht dazu verpflichtet zur Prüfung der Richtigkeit gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Die Berechtigung zur Abmahnung wird erst im Kündigungsschutzprozess geklärt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall war ein 32-jähriger Mann bei der Deutschen Bundespost seit 1974 als Fernmeldehandwerker beschäftigt. Zum Dienstantritt um 7 Uhr musste er sich bei der Dienststelle telefonisch melden. Seit August 1981 fiel der Arbeitnehmer wegen häufiger verspäteter Anrufe auf. Der Arbeitgeber mahnte dieses Verhalten mit Schreiben von August und September 1981 ab. Diese Abmahnungen nahm der Arbeitnehmer widerspruchslos hin. Es traten in der Folgezeit weitere Verspätungen auf, was zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im April 1984 führte. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Arbeitnehmers hatte das Landesarbeitsgericht Berlin zurückgewiesen. Es war der Meinung, der Arbeitnehmer habe sich auf die Unrichtigkeit der gerügten Verspätungen nicht berufen können, da er die Abmahnungen nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums angegriffen habe (sog. Verwirkung). Er sei aber dazu verpflichtet gewesen. Dagegen richtete sich die Revision des Arbeitnehmers.
Wiederholte Verspätungen begründen Kündigungsgrund
Das Bundesarbeitsgericht teilte zunächst die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers nach vorheriger Abmahnung geeignet seien, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen zu rechtfertigen.
Annahme der Verwirkung war falsch
Das Landesarbeitsgericht sei jedoch fehlerhaft davon ausgegangen, so das Bundesarbeitsgericht weiter, dass der Arbeitnehmer sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf die Unrichtigkeit der abgemahnten Verspätungen berufen könne, da er nicht gegen diese Abmahnungen vorgegangen war. Aus diesem Grund sei das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuweisen gewesen.
Arbeitnehmer ist berechtigt und nicht verpflichtet Abmahnungen anzugreifen
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sei der Arbeitnehmer zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Aus dem Umstand, dass dem Arbeitnehmer ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Rücknahme und Entfernung des Abmahnungsschreibens aus den Personalakten zustehe, könne nicht gefolgert werden, dass er dazu auch verpflichtet sei. Lasse der Arbeitnehmer die Berechtigung einer Abmahnung gerichtlich nicht klären, so könne er weiterhin, in einem späteren Kündigungsschutzprozess die Richtigkeit der abgemahnten Pflichtwidrigkeiten bestreiten. Es sei dann Sache des Arbeitgebers, die Richtigkeit der zwar abgemahnten, aber vom Arbeitnehmer bestrittenen Pflichtwidrigkeiten zu beweisen.
Schutz des Arbeitgebers anderweitig möglich
Um den im Kündigungsschutzprozess beweispflichtigen Arbeitgeber vor einem unredlichen Verhalten des Arbeitnehmers zu schützen, bedürfe es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in der Regel keines Zurückgreifens auf das Institut der Verwirkung. Ergebe sich im Laufe des Prozesses, dass der Arbeitnehmer die Beweisführung des Arbeitgebers in arglistiger Weise erschwert oder gar vereitelt, so könne es zum Beispiel zu einer Umkehr der Beweislast oder zu einer erweiterten Anwendung der Geständnisfunktion des § 138 Abs. 3 ZPO kommen. Ein unredliches Verhalten des Arbeitnehmers liege zum Beispiel dann vor, wenn er mündlich oder schriftlich erklärt habe, gegen die Richtigkeit der abgemahnten Verhaltensweisen keine Einwendungen erheben zu wollen, und der Arbeitgeber deshalb davon abgesehen habe, entsprechende Beweismittel zu sichern. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Richtigkeit der abgemahnten Pflichtwidrigkeiten befragen und dessen Reaktion bei der Sicherung der Beweismittel berücksichtigen könne.
Kein unredliches Verhalten durch bloßes Untätigbleiben des Arbeitnehmers
Das Bundesarbeitsgericht führte weiterhin aus, dass das bloße Untätigbleiben gegenüber einer Abmahnung noch kein unredliches Verhalten darstelle. Dies gelte ebenso, wenn der Arbeitnehmer durch seine Unterschrift auf dem Abmahnungsschreiben zum Ausdruck bringt, von den abgemahnten Verhaltensweisen Kenntnis genommen zu haben.
Pflicht zur gerichtlichen Prüfung der Abmahnung führt zu negativen Folgen
In der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sah das Bundesarbeitsgericht erhebliche Nachteile. So würden durch die gerichtliche Prüfung von Abmahnungen vor einem Kündigungsschutzprozess bestehende Arbeitsverhältnisse belastet. Für Arbeitnehmer können derartige Prozesse dazu führen, dass der Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse gefährdet werde. Auch der Arbeitgeber habe in der Regel angesichts des erheblichen Zeit- und Personalaufwands und der negativen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis kein Interesse daran, dass die Berechtigung von Abmahnungen bereits vor einem Kündigungsschutzprozess gerichtlich überprüft werde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.01.2013
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)
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