21.11.2024
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Dokument-Nr. 1231

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Bundesarbeitsgericht Urteil24.03.2004

Lohn unter Sozia­l­hil­fe­niveau ist nicht sittenwidrig

Ein Lohn unter Sozia­l­hil­fe­niveau ist nicht unbedingt sittenwidrig. Für die rechtliche Beurteilung von Löhnen ist die Sozialhilfe nicht der richtige Maßstab. Das geht aus einem Urteil des des Bundes­a­r­beits­ge­richts (BAG) hervor.

Der Kläger war von Dezember 2000 bis August 2001 bei dem beklagten Zeita­r­beits­un­ter­nehmen als Lager- und Versandarbeiter/Hilfskraft in Berlin beschäftigt. Der arbeits­ver­traglich vereinbarte Stundenlohn betrug zunächst 11,99 DM und dann ab 1. Mai 2001 12,38 DM. Der Kläger meint, der vereinbarte Lohn sei sittenwidrig, weil er in einem auffälligen Missverhältnis zu dem vom Statistischen Landesamt mitgeteilten Durch­schnittslohn für ungelernte Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin in Höhe von 23,35 DM stehe.Mit seiner Klage verlangt er die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn und dem seiner Meinung nach ortsüblichen Lohn in Höhe von 23,35 DM.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn des Klägers ist nicht sittenwidrig. Der vom Kläger herangezogene Durch­schnitts­ver­dienst ungelernter Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin kann nicht als Vergleichs­maßstab zur Feststellung des auffälligen Missver­hält­nisses von Leistung und Gegenleistung herangezogen werden. Der Kläger war nicht im produzierenden Gewerbe tätig, sondern bei einem Zeita­r­beits­un­ter­nehmen. Maßgebliche Bezugsgröße für die Feststellung der Sitten­wid­rigkeit der Lohnver­ein­barung ist der bei Zeita­r­beits­un­ter­nehmen geltende Tariflohn. Der Stundenlohn des Klägers entsprach dem bei der Beklagten geltenden Tariflohn, der in einem Hausta­rif­vertrag mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG im Jahre 2000 vereinbart worden war. Dieser Tariflohn ist seinerseits nicht sittenwidrig. Er trägt den Besonderheiten der Branche angemessen Rechnung und entspricht nahezu dem seit 1. Januar 2004 geltenden Tariflohn aus dem Entgelt­ta­rif­vertrag, der zwischen der Inter­es­sen­ge­mein­schaft Deutscher Zeita­r­beits­un­ter­nehmen und den DGB-Gewerkschaften vereinbart worden ist. Für die Beurteilung der Sitten­wid­rigkeit des vereinbarten Lohns ist rechtlich unerheblich, ob die vereinbarte Lohnhöhe unter dem Sozialhilfesatz liegt. Sozia­l­hil­fe­leis­tungen knüpfen an eine individuell festzustellende Bedürftigkeit an, während zur Feststellung der Sitten­wid­rigkeit einer Lohnver­ein­barung auf das Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt abzustellen ist.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 16/04 des BAG vom 24.03.2004, bearbeitet von der ra-online Redaktion

der Leitsatz

1. Eine arbeits­ver­tragliche Entgelt­ver­ein­barung verstößt gegen den straf­recht­lichen Wucher­tat­bestand des § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB und die guten Sitten iSv § 138 BGB, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt.

2. Die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschafts­zweigs sind jedenfalls dann Ausgangspunkt zur Feststellung des Wertes der Arbeitsleistung, wenn in dem Wirtschafts­gebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird. Entspricht der Tariflohn nicht der verkehrs­üb­lichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist zur Ermittlung des Wertes der Arbeitsleistung von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschafts­gebiet auszugehen.

3. Tarif­ver­tragliche Entgelt­ver­ein­ba­rungen müssen den in Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden elementaren Gerech­tig­keits­an­for­de­rungen genügen.

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