15.11.2024
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Dokument-Nr. 3175

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Urteil11.10.2006Bundesarbeitsgericht4 AZR 486/05
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Bundesarbeitsgericht Urteil11.10.2006

Rückwirkende Verschlech­terung von Tarifentgelten zu Lasten betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer

Tarif­ver­trags­parteien können einen Tarifvertrag während seiner Laufzeit rückwirkend ändern und in tarifliche Rechte eingreifen. Dieser Gestal­tungs­spielraum ist aber begrenzt. Schutzwürdiges Vertrauen der Normun­ter­worfenen darf nicht verletzt werden. Ob und ggf. mit Wirkung zu welchem Zeitpunkt die Tarifun­ter­worfenen mit einer rückwirkenden Regelung rechnen müssen, ihr also kein schützenswertes Vertrauen entgegenstellen können, ist eine Frage des Einzelfalles.

In der Regel müssen Beschäftigte nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Anders ist dies nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarif­ver­trags­parteien verschlechternd in diesen Anspruch eingreifen werden.

Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers mit seiner ursprünglichen Arbeitgeberin, der Beklagten, fanden die Tarifverträge für die Metallindustrie NRW Anwendung, die zum 1. März 2004 eine Tariferhöhung von 2,2 % vorsahen. Wegen wirtschaft­licher Schwierigkeiten der Beklagten verhandelten die Tarif­ver­trags­parteien über einen Sanie­rung­s­ta­rif­vertrag. In einem Infor­ma­ti­o­ns­schreiben des Betriebsrats an die Belegschaft vom 2. April 2004 wurde den Beschäftigten mitgeteilt, dass die Beklagte ua. mitgeteilt habe, die Tariferhöhung zum 1. März 2004 und das tarifliche Urlaubsgeld solle in einem Sanie­rung­s­ta­rif­vertrag für 2004 neu geregelt werden. Am 23. Juli 2004 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat einen Inter­es­se­n­aus­gleich und einen Trans­fer­so­zi­alplan, die umfangreiche organi­sa­to­rische Änderungen im Betrieb und die Kündigung von 34 namentlich benannten Beschäftigten mit dem Angebot des Wechsels zu einer Trans­fer­ge­sell­schaft für die Dauer der Kündigungsfrist und die Zahlung einer Abfindung vorsahen. Diesen Regelungen entsprechend schied der Kläger auf Grund Aufhe­bungs­ver­trages zum 30. Juni 2004 bei der Beklagten aus und wechselte befristet bis zum 30. Juni 2005 in die Trans­fer­ge­sell­schaft. Am 3. November 2004 kam ein von Gewerkschaft und Arbeit­ge­ber­verband abgeschlossener Sanie­rung­s­ta­rif­vertrag für die Beklagte zustande, der mehrere tarifliche Ansprüche für die Jahre 2004 und 2005 verschlechterte. Für betroffene Arbeitnehmer wie den Kläger, auf dessen Arbeits­ver­hältnis mit der Beklagten der Sanie­rung­s­ta­rif­vertrag kraft arbeits­ver­trag­licher Verweisung noch Anwendung fand, waren die Änderungen auf den Wegfall der Tariferhöhung ab 1. März 2004 und der zusätzlichen Urlaubs­ver­gütung beschränkt. Mit seiner Klage macht der Kläger für die Zeit bis zu seinem Ausscheiden bei der Beklagten die ihm nicht gewährte Tariferhöhung sowie die zusätzliche tarifliche Urlaubs­ver­gütung geltend.

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Zurück­ver­weisung an das Landes­a­r­beits­gericht. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, inwieweit durch den Sanie­rung­s­ta­rif­vertrag wirksam in die Rechte des Klägers aus den Flächen­ta­rif­ver­trägen eingegriffen werden konnte. Es steht wegen fehlender Feststellungen des Landes­a­r­beits­ge­richts noch nicht ausreichend fest, inwieweit das schützenswerte Vertrauen des Klägers auf unein­ge­schränkten Erwerb und Bestand der tariflichen Rechte beseitigt worden war.

Erläuterungen
Vorinstanz

Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf, Urteil vom 14. Juli 2005 – 11 Sa 586/05 –

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 61/06 des BAG vom 11.10.2006

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