22.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 1292

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Urteil16.05.2002Bundesarbeitsgericht2 AZR 730/00
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Bundesarbeitsgericht Urteil16.05.2002

Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber - Verlust des Briefes auf dem Postweg

Die Klägerin war seit Mai 1999 bei der Beklagten als "Promotion-Mitarbeiterin" beschäftigt. Sie verteilte Zeitungen an Passanten. Die Beklagte kündigte das Arbeits­ver­hältnis am 29. Juli 1999 zu Mitte August. Am 17. August 1999 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der siebten Schwan­ger­schaftswoche festgestellt. Hiervon hat die Beklagte spätestens am 22. September 1999 telefonisch erfahren.

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe die Mitteilung über ihre Schwangerschaft bereits am 18. August in einem einfachen Brief an die Beklagte abgesandt. Zum Beweis hierfür hat sie sich auf das Zeugnis ihres Ehemannes berufen. Der mögliche Verlust des Briefes auf dem Postwege könne ihr nicht im Sinne einer schuldhaft verspäteten Mitteilung zugerechnet werden. Die Beklagte hat den Eingang eines Briefes bestritten. Gegen die Behauptung der Klägerin spreche auch, daß sie in Gesprächen zwischen dem 18. August und 22. September nicht auf ihre Schwangerschaft hingewiesen habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die Kündigung ist unwirksam. Nach § 9 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn der Arbeitgeber die Schwangerschaft kennt oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten der Zweiwochenfrist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Bei Zugang der Kündigung war die Klägerin schwanger. Die Klägerin hatte erstmals am 17. August Kenntnis von ihrer Schwangerschaft. Danach hat sie zur Unterrichtung des Arbeitgebers alles getan, was unter den gegebenen Umständen von ihr erwartet werden konnte. Sie hat am 18. August die Schwan­ger­schafts­be­schei­nigung mit einfachem Brief zur Post gegeben, wie die Vorinstanzen revisi­ons­rechtlich bindend festgestellt haben. Daß der Brief möglicherweise der Beklagten nicht zugegangen ist, kann der Klägerin nicht angelastet werden. Sie durfte zunächst auf die ordnungsgemäße Beförderung ihrer Briefsendung durch die Post vertrauen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin in der Zeit zwischen dem 18. August und dem 22. September hätte bemerken müssen, daß die Schwan­ger­schafts­mit­teilung bei der Beklagten nicht vorlag, wurden von der Beklagten nicht vorgetragen. Damit war die Unterrichtung am 22. September 1999 noch rechtzeitig.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 32/02 des BAG vom 16.05.2005

der Leitsatz

1. Die Überschreitung der Frist des § 9 Abs. 1 MuSchG ist von der Schwangeren zu vertreten, wenn sie auf einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten zurückzuführen ist (Verschulden gegen sich selbst).

2. Einen solchen gröblichen Verstoß stellt es nicht dar, wenn die Schwangere die Bescheinigung über die Schwangerschaft mit normaler Post an den Arbeitgeber versendet und der Brief dann aus ungeklärter Ursache verloren geht. Mit einem Verlust des Briefes auf dem Beför­de­rungswege muß die Schwangere nicht von vornherein rechnen.

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