15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 1295

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Bundesarbeitsgericht Urteil15.11.2001

Fristlose Kündigung wegen Annahme von Geldgeschenken

Der 1941 geborene Kläger war seit 1968 in der Bauverwaltung der beklagten Stadt tätig. Von 1990 bis 1995 oblag ihm als Bauleiter die Durchführung von Bauun­ter­hal­tungs­a­r­beiten ua. im städtischen Philha­r­mo­nie­gebäude. Im Rahmen staats­an­walt­schaft­licher Ermittlungen wurde im Dezember 1998 bekannt, daß der Kläger bis 1994 etwa 10 mal je 100,00 DM in bar von der Firma H entge­gen­ge­nommen hatte.

Diese Firma war vom Kläger im Rahmen seiner Zuständigkeit mit der Durchführung der Wartungs- und Repara­tu­r­a­r­beiten an der Schließanlage, den Schlössern und Beschlägen des Philha­r­mo­nie­ge­bäudes betraut worden. Die Beklagte kündigte das Arbeits­ver­hältnis mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 fristlos, nachdem der Personalrat der Kündi­gungs­absicht widersprochen hatte.

Der Kläger macht geltend, er habe keine Aufträge pflichtwidrig vergeben, der Beklagten sei deshalb kein Schaden entstanden. Die Annahme derartiger Geldbeträge sei auch in der Dienststelle üblich gewesen. Eine Wieder­ho­lungs­gefahr bestehe nicht. Seit Oktober 1995 sei er im Bereich der Gebäudeplanung tätig und habe keinen Kontakt mehr zu der Firma H. Die Beklagte verweist auf das im BAT und in ihrer Dienstanweisung geregelte Verbot, Geldgeschenke anzunehmen. Sie macht geltend, das schwerwiegende und nachhaltige Fehlverhalten des Klägers habe die notwendige Vertrau­ens­grundlage zur Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses zerstört.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers führte zur Zurück­ver­weisung. Dem Landes­a­r­beits­gericht ist darin zu folgen, daß die Annahme von Geldgeschenken durch einen Bauleiter im öffentlichen Dienst, der über die Vergabe von Aufträgen zu entscheiden hat, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht an der fehlenden Abmahnung. Dem Kläger mußte klar sein, daß er mit seinem mehrfachen Verstoß gegen das tarifliche und in der Dienstanweisung enthaltene Verbot, Geldgeschenke anzunehmen, seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzte. Der unsub­stan­tiierte Hinweis auf die "Üblichkeit" eines derartigen Fehlverhaltens in der Dienststelle kann den Kläger nicht entlasten. Bei der Inter­es­se­n­ab­wägung hat das Landes­a­r­beits­gericht allerdings zu Unrecht darauf abgestellt, beim Kläger wirke sich - im Gegensatz zu einem anderen Angestellten der Beklagten, dem bei einem vergleichbaren Sachverhalt nur ordentlich habe gekündigt werden können - der tarifliche Ausschluß der ordentlichen Kündigung zu seinen Ungunsten aus. Ihm könne deshalb fristlos gekündigt werden. Dies ist so unrichtig. Der alters­ge­si­cherte Arbeitnehmer darf nicht allein wegen seines besonderen Schutzes schlechter behandelt werden als ein ordentlich kündbarer Arbeitnehmer. Wenn einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne gesteigerten Kündi­gungs­schutz bei gleicher Sachlage nur fristgerecht gekündigt werden könnte, ist dem alters­ge­si­cherten Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Wertungs­wi­der­spruchs eine der fiktiven Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuräumen. Das Landes­a­r­beits­gericht, dem insoweit ein eigener Beurtei­lungs­spielraum zukommt, wird nach der Zurück­ver­weisung prüfen müssen, ob die vom Kläger begangenen Pflicht­ver­let­zungen so schwerwiegend sind, daß auch bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 74/01 des BAG vom 15.11.2001

der Leitsatz

Der mehrfache Verstoß eines Angestellten im öffentlichen Dienst gegen das Verbot, ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen (§ 10 BAT), ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung darzustellen.

Einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer kann fristlos nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber seine Weiter­be­schäf­tigung nicht einmal bis zum Ablauf der "fiktiven Frist" zur ordentlichen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses zumutbar ist.

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