15.11.2024
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Dokument-Nr. 1835

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Urteil02.02.2006Bundesarbeitsgericht2 AZR 58/05
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Bundesarbeitsgericht Urteil02.02.2006

Verschlech­terung einer Tarifregelung über ordentliche Unkündbarkeit

Tarif­ver­tragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer nachträglichen Änderung durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt auch für Regelungen über einen Sonder­kün­di­gungs­schutz.

Ist bisher tarif­ver­traglich die ordentliche Kündigung nach entsprechender Beschäf­ti­gungszeit und ab einem bestimmten Lebensalter nicht ausnahmslos ausgeschlossen, sondern bleibt bei bestimmten Betrie­b­s­än­de­rungen eine ordentliche Kündigung zulässig, so sind die Tarif­ver­trags­parteien grundsätzlich nicht gehindert, die Ausnah­me­vor­schrift über die Zulässigkeit betrie­bs­be­dingter Kündigungen an geänderte Verhältnisse anzupassen (im Fall: Erstreckung auf alle notwendigen Betrie­b­s­än­de­rungen).

Auch das Vertrauen des Arbeitnehmers, der die tariflichen Voraussetzungen für den Sonder­kün­di­gungs­schutz (Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit, Lebensalter) bereits erreicht hat, in die Aufrecht­er­haltung seines Sonder­kün­di­gungs­schutzes im bisherigen Umfang steht einer solchen Modifizierung der tariflichen Regelung nicht entgegen.

Der 1952 geborene Kläger war seit 1984 in dem Berufs­fort­bil­dungswerk der Beklagten als Ausbilder für die holzgewerbliche Ausbildung tätig. Nach dem auf das Arbeits­ver­hältnis kraft Bezugnahme anwendbaren Mantel­ta­rif­vertrag, abgeschlossen zwischen der Beklagten und der zuständigen Gewerkschaft, war ursprünglich unter bestimmten Voraussetzungen (Beschäf­ti­gungszeit 15 Jahre oder 10 Jahre und Vollendung des 50. Lebensjahrs) die ordentliche Kündigung bei Stilllegung des Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils zulässig.

Eine Neufassung des Tarifvertrags im Jahr 2003 sah u. a. vor, dass nunmehr eine ordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen allgemein zulässig war, wenn sie durch notwendige Betrie­b­s­än­de­rungen bedingt war. Nach Inkrafttreten der tariflichen Neuregelung des Sonder­kün­di­gungs­schutzes kündigte die Beklagte dem Kläger, der nach Alter und Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit die Voraussetzungen des tariflichen Sonder­kün­di­gungs­schutzes erfüllt, ordentlich zum 30. September 2004. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Kündigung sei durch eine notwendige Betrie­b­s­än­derung bedingt gewesen. Sie habe sich entschlossen, die holzgewerbliche Ausbildung nach einem Wegfall der Fördermittel einzustellen, die Bildungsstätte, in der der Kläger tätig gewesen sei, zu schließen und weitere 45 ihrer 170 Arbeitsplätze abzubauen. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da eine Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit für den Kläger nicht mehr bestanden habe. Der Kläger hat sich demgegenüber vor allem darauf berufen, die Neufassung der Tarifregelung über den Sonder­kün­di­gungs­schutz sei wegen unzu lässiger Rückwirkung insoweit unwirksam, als sie in seinen bisherigen Besitzstand eingreife. Nach der deshalb anwendbaren ursprünglichen Fassung des Tarifvertrags sei eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, da kein wesentlicher Betriebsteil stillgelegt worden sei. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landes­a­r­beits­gericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb erfolglos.

Erläuterungen
Vorinstanz

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12. November 2004 - 9 (3) Sa 888/04 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 07/06 des BAG vom 02.02.2006

der Leitsatz

Tarif­ver­tragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer nachträglichen Änderung durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt auch für Regelungen über einen Sonder­kün­di­gungs­schutz.

Ist bisher tarif­ver­traglich die ordentliche Kündigung nach entsprechender Beschäf­ti­gungszeit und ab einem bestimmten Lebensalter nicht ausnahmslos ausgeschlossen, sondern bleibt bei bestimmten Betrie­b­s­än­de­rungen eine ordentliche Kündigung zulässig, so sind die Tarif­ver­trags­parteien grundsätzlich nicht gehindert, die Ausnah­me­vor­schrift über die Zulässigkeit betrie­bs­be­dingter Kündigungen an geänderte Verhältnisse anzupassen.

Das Vertrauen des Arbeitnehmers, der die tariflichen Voraussetzungen für den Sonder­kün­di­gungs­schutz (Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit, Lebensalter) bereits erreicht hat, in die Aufrecht­er­haltung seines Sonder­kün­di­gungs­schutzes im bisherigen Umfang steht einer solchen Modifizierung der tariflichen Regelung nicht entgegen.

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