23.11.2024
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Dokument-Nr. 1542

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Urteil15.12.2005Bundesarbeitsgericht2 AZR 462/04
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Bundesarbeitsgericht Urteil15.12.2005

Mutter­schutz­recht­licher Sonder­kün­di­gungs­schutz nach medizinisch-indizierter Einleitung der Geburt

Auch ein medizinisch indizierter Schwan­ger­schafts­abbruch ist eine "Entbindung" im Sinne des Mutter­schutz­ge­setzes. Die Kündigung gegenüber einer Frau während einer Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig.

Die schwangere Klägerin arbeitete seit dem 15. September 2002 in der Rechtsabteilung der Beklagten. Der voraus­sichtliche Entbin­dungs­termin sollte der 1. Mai 2003 sein. Anlässlich einer Vorsor­ge­un­ter­suchung im Dezember 2002 wurde eine Funkti­o­ns­s­törung der Nieren des ungeborenen Kindes festgestellt (sog. Potter-Syndrom), die zum sicheren Tod des Kindes noch während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt geführt hätte. Auf ärztlichen Rat wurden am 26. Dezember die Wehen medikamentös eingeleitet. Am 28. Dezember brachte die Klägerin einen toten Jungen mit einem Gewicht von 600 Gramm zur Welt. In der Todes­be­schei­nigung ist angegeben, dass das Kind in der Geburt verstorben ist. Die Klägerin teilte am 30. Dezember 2002 der Beklagten mit, die Schwangerschaft sei abgebrochen worden und das Kind gestorben. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 5. März 2003 das Arbeits­ver­hältnis der Klägerin fristgemäß. Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung mit dem Hinweis gewandt, diese sei nach § 9 Abs. 1 MuSchG unzulässig. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Sonder­kün­di­gungs­schutz für Mütter finde vorliegend keine Anwendung, weil auch ein medizinisch indizierter Schwan­ger­schafts­abbruch keine „Entbindung“ im Sinne des Gesetzes sei. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundes­a­r­beits­gericht der Klage stattgegeben.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während einer Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig. Eine Entbindung im Sinne der Norm ist ua. in Anlehnung an entsprechende perso­nen­stands­rechtliche Bestimmungen (§ 21 Abs. 2 PStG iVm. § 29 Abs. 2 PStV) dann anzunehmen, wenn die Leibesfrucht ein Gewicht von mindestens 500 Gramm hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind lebend oder tot geboren wird. Das gilt auch bei einer medizinisch indizierten vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft. Dies entspricht dem Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 MuSchG, ua. einen Schutz für die durch die Schwangerschaft und den Geburtsvorgang entstehenden Belastungen der Frau zu gewähren.

Erläuterungen

Vorinstanz:

LAG München, Urteil vom 14. Juli 2004 - 5 Sa 241/04 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 80/05 des BAG vom 15.12.2005

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