Dokument-Nr. 415
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Bundesarbeitsgericht Entscheidung21.04.2005
Keine außerordentliche Kündigung eines langjährig befristeten Arbeitsvertrages wegen schlechter Haushaltslage einer Stadtgemeinde, die durch Erbschaft Arbeitgeberin geworden ist
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin rechtlich als Arbeitnehmerin anzusehen ist. Außerdem macht die Klägerin die Unwirksamkeit zweier von der Beklagten erklärter Kündigungen sowie Gehaltsansprüche geltend. Die Klägerin ist Ärztin mit dem Spezialgebiet Chinesische Medizin. Zu ihren Patienten zählte der betagte Unternehmer K. Dieser überließ ihr ein Haus, in dem sie ein Therapiezentrum für Naturheilkunde, Schmerztherapie und fernöstliche Medizin einrichten sollte. Im Jahre 1999 schlossen die Klägerin und der damals 89-jährige Herr K., die zwischenzeitlich gerichtliche Auseinandersetzungen geführt hatten, einen bis zum 15. März 2008 befristeten "Arbeitsvertrag". Danach sollte die Klägerin gegen eine monatliche Vergütung von 6.900,00 DM bei einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden als "Manager und Hausverwalter" tätig sein und die Leitung und Führung des - nach K. benannten - "K.-Hauses" ärztlich beraten. Der Vertrag sollte nicht durch Tod der Vertragsparteien enden. Nachdem zunächst Herr K. und dann seine Ehefrau, die den Arbeitsvertrag mit der Klägerin durch gerichtlichen Vergleich bestätigte, verstorben waren, erbte die als Alleinerbin eingesetzte beklagte Stadt N. das Vermögen K’s. Sie kündigte im September 2001 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich und ordentlich. Sie ist der Ansicht, bei dem 1999 zwischen Herrn K. und der Klägerin geschlossenen Vertrag habe es sich nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern um ein Scheingeschäft gehandelt. Jedenfalls habe sie ua. wegen dramatisch schlechter Haushaltslage außerordentlich kündigen können. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin. Ein Dienstverhältnis, das von den vertragschließenden Parteien als Arbeitsvertrag bezeichnet wird und auch vertraglich dementsprechend ausgestaltet ist, ist in der Regel auch rechtlich als Arbeitsverhältnis anzusehen. Dass Herr K. und die Klägerin in Wahrheit etwas anderes als ein Arbeitsverhältnis gewollt oder praktiziert hätten, ist nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht anzunehmen. Unstreitig hat die Klägerin sich um den Ausbau des "K.-Hauses" gekümmert und ua. einen "Zen-Garten" angelegt und damit Leistungen erbracht. Die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen sind als Teil des Erbes auf die beklagte Stadt übergegangen. Da ein befristeter Arbeitsvertrag mangels anderer Vereinbarung nicht ordentlich gekündigt werden kann, konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur außerordentlich kündigen. Hierzu hätte es jedoch eines wichtigen Grundes bedurft, der nicht vorlag. Weder die "dramatisch verschlechterte" Haushaltslage noch der Umstand, dass die Beklagte die seinerzeit zwischen Herrn K. und der Klägerin getroffenen Vereinbarungen als unrealistisch und die Klägerin begünstigend einschätzt, rechtfertigen die außerordentliche Kündigung. Die Beklagte hatte die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen oder ihre Haftung auf den Wert der Erbschaft zu beschränken. Sie war also nicht gezwungen, die von ihr als unzweckmäßig angesehene vertragliche Verpflichtung und etwa daraus resultierende wirtschaftliche Nachteile zu übernehmen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 12. Januar 2004 - 9 (2) Sa 653/02 -
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 23/05 des BAG vom 21.04.2005
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