15.11.2024
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Dokument-Nr. 3063

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Beschluss19.09.2006Bundesarbeitsgericht1 ABR 53/05
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Bundesarbeitsgericht Beschluss19.09.2006

Kein Gewerk­schafts­status für Verband der Gewerk­schafts­be­schäf­tigtenBundes­a­r­beits­gericht zum Gewerk­schafts­begriff im Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz

Gewerkschaften sind solche Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen, die in der Lage sind, Tarifverträge abzuschließen. Die Rechte, die ihnen das Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz einräume, könnten daher nicht von Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen in Anspruch genommen werden, denen es an der zur Tariffähigkeit erforderlichen sozialen Macht fehle. Das hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Das Bundes­a­r­beits­gericht hat - wie schon die Vorinstanzen - den Antrag eines nicht tariffähigen Verbands der Gewerk­schafts­be­schäf­tigten (VGB) abgewiesen, mit dem dieser die Verpflichtung des Betriebsrats eines Landesbezirks der Vereinten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft (ver.di) erreichen wollte, nach § 46 Abs. 1 BetrVG einem Verbands­be­auf­tragten Zutritt zu den Betrie­bs­ver­samm­lungen zu gewähren.

Antragsteller ist der Verband der Gewerk­schafts­be­schäf­tigten (VGB). Dieser vertritt die wirtschaft­lichen und sozialen Interessen der Beschäftigten der Gewerkschaften und ihrer Dachor­ga­ni­sation. Er hat sich nach seiner Satzung unter anderem die Wahrung und Verbesserung der Einkommens- und Arbeits­be­din­gungen der Beschäftigten der Gewerkschaften und deren Dachor­ga­ni­sation zur Aufgabe gesetzt. Der Antragsteller ist nach einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 17. Februar 1998 mangels Mächtigkeit (noch) nicht in der Lage, Tarifverträge abzuschließen. Nach einer eidess­tatt­lichen Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers sind im Betrieb des Beteiligten zu 3) in München, für den als Betriebsrat der Beteiligte zu 2) errichtet ist, Mitglieder des Antragstellers beschäftigt.

Mit seinem Antrag begehrt der VGB, ihm Zutritt und Teilnahme an den beim Beteiligten zu 3) durchgeführten Betrie­bs­ver­samm­lungen zu gewähren. Er ist der Ansicht, sein Zutrittsrecht als Arbeit­neh­mer­ver­ei­nigung ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Eine Gewerkschaft im Sinne dieser Vorschrift müsse nicht tariffähig sein. Der Gewerk­schafts­begriff sei im Arbeitsrecht nicht einheitlich. Das gegenteilige Verständnis und das daran anknüpfende Erfordernis einer gewissen Mächtigkeit einer Koalition führe zu einer Monopolstellung der etablierten Koalitionen in den Betrieben. Im Übrigen verstoße der einheitliche Gewerk­schafts­begriff gegen internationale und gemein­schafts­rechtliche Vorgaben. Der Betriebsrat ist der Ansicht, ein Teilnahme- und Zutrittsrecht könne nur einer Gewerkschaft im Sinne des vom Bundes­a­r­beits­gericht entwickelten allgemeinen Gewerk­schafts­be­griffs zukommen.

Eine Gewerkschaft im Sinne des Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes ist nur eine tariffähige Arbeit­neh­mer­ver­ei­nigung. Der Gewerk­schafts­begriff wird auch in diesem Gesetz in seiner allgemeinen Bedeutung verwendet. Danach sind Gewerkschaften solche Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen, die in der Lage sind, Tarifverträge abzuschließen. Diese Eigenschaft setzt der Gewerk­schafts­begriff seit jeher voraus. Die Rechte, die das Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz den "Gewerkschaften" einräumt, können deshalb nicht von Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen in Anspruch genommen werden, denen es an der zur Tariffähigkeit erforderlichen sozialen Mächtigkeit fehlt. Das ist mit deren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betäti­gungs­freiheit vereinbar. Die Befugnisse der Gewerkschaften nach dem Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz bestehen im Interesse der betrie­bs­ver­fas­sungs­recht­lichen und tarif­recht­lichen Ordnung. Ihre effektive Wahrnehmung verlangt nicht nur eine leistungsfähige Organisation, sondern auch die Bereitschaft und die Fähigkeit, den komplexen Verflechtungen und Wechsel­wir­kungen von Tarif- und Betrie­bs­ver­fas­sungsrecht Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber durfte in typisierender Weise davon ausgehen, dass hierüber nur tariffähige Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen in ausreichendem Maße verfügen.

Erläuterungen
Vorinstanz

Landes­a­r­beits­gericht München, Beschluss vom 10. August 2005 - 7 TaBV 66/04 -

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 57/06 des BAG vom 19.09.2006

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