Das Bundesarbeitsgericht hat - wie schon die Vorinstanzen - den Antrag eines nicht tariffähigen Verbands der Gewerkschaftsbeschäftigten (VGB) abgewiesen, mit dem dieser die Verpflichtung des Betriebsrats eines Landesbezirks der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erreichen wollte, nach § 46 Abs. 1 BetrVG einem Verbandsbeauftragten Zutritt zu den Betriebsversammlungen zu gewähren.
Antragsteller ist der Verband der Gewerkschaftsbeschäftigten (VGB). Dieser vertritt die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Beschäftigten der Gewerkschaften und ihrer Dachorganisation. Er hat sich nach seiner Satzung unter anderem die Wahrung und Verbesserung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Gewerkschaften und deren Dachorganisation zur Aufgabe gesetzt. Der Antragsteller ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Februar 1998 mangels Mächtigkeit (noch) nicht in der Lage, Tarifverträge abzuschließen. Nach einer eidesstattlichen Versicherung des Vorsitzenden des Antragstellers sind im Betrieb des Beteiligten zu 3) in München, für den als Betriebsrat der Beteiligte zu 2) errichtet ist, Mitglieder des Antragstellers beschäftigt.
Mit seinem Antrag begehrt der VGB, ihm Zutritt und Teilnahme an den beim Beteiligten zu 3) durchgeführten Betriebsversammlungen zu gewähren. Er ist der Ansicht, sein Zutrittsrecht als Arbeitnehmervereinigung ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Eine Gewerkschaft im Sinne dieser Vorschrift müsse nicht tariffähig sein. Der Gewerkschaftsbegriff sei im Arbeitsrecht nicht einheitlich. Das gegenteilige Verständnis und das daran anknüpfende Erfordernis einer gewissen Mächtigkeit einer Koalition führe zu einer Monopolstellung der etablierten Koalitionen in den Betrieben. Im Übrigen verstoße der einheitliche Gewerkschaftsbegriff gegen internationale und gemeinschaftsrechtliche Vorgaben. Der Betriebsrat ist der Ansicht, ein Teilnahme- und Zutrittsrecht könne nur einer Gewerkschaft im Sinne des vom Bundesarbeitsgericht entwickelten allgemeinen Gewerkschaftsbegriffs zukommen.
Eine Gewerkschaft im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung. Der Gewerkschaftsbegriff wird auch in diesem Gesetz in seiner allgemeinen Bedeutung verwendet. Danach sind Gewerkschaften solche Arbeitnehmervereinigungen, die in der Lage sind, Tarifverträge abzuschließen. Diese Eigenschaft setzt der Gewerkschaftsbegriff seit jeher voraus. Die Rechte, die das Betriebsverfassungsgesetz den "Gewerkschaften" einräumt, können deshalb nicht von Arbeitnehmervereinigungen in Anspruch genommen werden, denen es an der zur Tariffähigkeit erforderlichen sozialen Mächtigkeit fehlt. Das ist mit deren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit vereinbar. Die Befugnisse der Gewerkschaften nach dem Betriebsverfassungsgesetz bestehen im Interesse der betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Ordnung. Ihre effektive Wahrnehmung verlangt nicht nur eine leistungsfähige Organisation, sondern auch die Bereitschaft und die Fähigkeit, den komplexen Verflechtungen und Wechselwirkungen von Tarif- und Betriebsverfassungsrecht Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber durfte in typisierender Weise davon ausgehen, dass hierüber nur tariffähige Arbeitnehmervereinigungen in ausreichendem Maße verfügen.
Erläuterungen
Vorinstanz
Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 10. August 2005 - 7 TaBV 66/04 -
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 57/06 des BAG vom 19.09.2006