18.10.2024
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Dokument-Nr. 14959

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Arbeitsgericht Stuttgart Urteil13.12.2012

Daimler: Kürzung pauschaler Mehra­r­beits­ver­gütung und Streichung von Aufwand­s­ent­schä­digung für freigestellten Betriebsrat rechtmäßigBisherige Regelungen verstoßen u.a. gegen das Vergüns­ti­gungs­verbot

Die Klage eines freigestellten Betriebsrats der Daimler AG auf Zahlung einer Mehra­r­beit­s­pau­schale in bisheriger Höhe und Aufwand­s­ent­schä­digung wurde vom Arbeitsgericht Stuttgart abgewiesen.

Der klagende Arbeitnehmer hatte seit seiner Wahl zum Betriebsrat im Jahr 2006, wie alle Betrie­bs­rats­mit­glieder, aufgrund einer im Grundsatz seit 1972 geltenden internen Richtlinie eine Mehra­r­beit­s­pau­schale im Umfang von 8 Stunden pro Monat sowie seit seiner Freistellung im Jahr 2008 eine Aufwen­dungs­er­satz­pau­schale erhalten. Die Daimler AG strich mit Wirkung zum 01.02.2012 den Pauscha­l­auf­wen­dungs­ersatz und kürzte die Mehra­r­beit­s­pau­schale auf den nach ihren Angaben im Betrieb Zentrale betrie­bs­üb­lichen Durchschnitt an Mehrarbeit i.H.v. 1,47 Stunden pro Monat. Entsprechende Regelungen traf die Beklagte bundesweit, wovon ca. 800 Betriebsräte betroffen sind. Sie begründete diesen Schritt damit, dass die seit 1972 geltenden Regelungen in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen gebracht werden müssten. Der Kläger hielt die einseitige Kürzung für ungerecht­fertigt. Betriebsräte würden in erheblichem Umfang Mehrarbeit erbringen, die Zahlung der bisherigen Mehra­r­beit­s­pau­schale stelle einen angemessenen Ausgleich hierfür dar.

ArbG folgt Auffassung der Arbeitgeberin

Das Arbeitsgericht folgte der Auffassung der Arbeitgeberin. Die bisherigen Regelungen verstoßen gegen das in § 37 Abs. 1 BetrVG enthaltene Prinzip der ehrenamtlichen Erbringung der Betrie­bs­rat­stä­tigkeit sowie gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG.

Pauschalen nur bei typischen und erwartbaren tatsächlichen Auslagen des Betrie­bs­rats­mit­glieds zulässig

Das Ehren­amts­prinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsräte. Pauschalen, wie der gewährte Aufwen­dungs­ersatz, können deshalb nach Ansicht des Gerichts nur zulässig sein, wenn sie sich an den typischen und erwartbaren tatsächlichen Auslagen des konkreten Betrie­bs­rats­mit­glieds orientieren. Dies war bei dem seit 1972 an alle Betriebsräte in gleicher Höhe gezahlten Aufwen­dungs­ersatz nicht der Fall, zumal die Arbeitgeberin für tatsächlich entstandene Aufwendungen, wie Reisekosten, unabhängig von der Pauschale Ersatz leistete.

Bei Mehrarbeit Freizeit­aus­gleich vor Vergü­tungs­pflicht zwingend vorgeschrieben

Auch die Mehra­r­beit­s­pau­schale in der bisherigen Höhe hielt das Gericht für unwirksam, da nach Wortlaut und Entste­hungs­ge­schichte der Regelung nicht erkennbar ist, dass sich die Pauschale an den tatsächlichen Verhältnissen orientierte und zudem § 37 Abs. 3 BetrVG selbst bei aus betrie­bs­be­dingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durch­zu­füh­render Mehrarbeit den Vorrang des Freizeit­aus­gleichs vor der Vergü­tungs­pflicht zwingend vorschreibt. Von diesem Grundsatz kann nach der gesetzlichen Regelung nur bei betrieblichen Notwendigkeiten abgewichen werden. Demnach ist eine Mehra­r­beit­s­pau­schale, die unabhängig von betrieblichen Notwendigkeiten Vergütungs- statt Freizeit­aus­gleichs­ansprüche festlegt, unzulässig und damit unwirksam.

Schlech­ter­stellung des Klägers nicht feststellbar

Zudem lag hier eine Schlech­ter­stellung des Klägers nicht vor, da seine arbeits­ver­tragliche wöchentliche Arbeitszeit im Zuge der Umstellung der Regelungen von 35 h auf 36,5 h - mithin um ca. 6,50 h pro Monat – einvernehmlich erhöht wurde und mit der weiterhin gezahlten Pauschale in Höhe von 1,47 h pro Monat bei unverändertem Arbeitsumfang weiterhin nahezu dieselbe Arbeitszeit – wenn auch ohne Mehra­r­beits­zu­schläge – vergütet wird.

Nicht zu entscheiden hatte das Gericht, ob die nunmehr von der Arbeitgeberin angewandte Regelung gesetzeskonform ist.

Quelle: Arbeitsgericht Stuttgart/ ra-online

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