Dokument-Nr. 22784
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- BRAK-Mitt 2016, 190Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2016, Seite: 190
Anwaltsgerichtshof Berlin Beschluss06.06.2016
Freischaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ohne Einverständnis des Rechtsanwalts unzulässigRechtswidriger Eingriff in Berufsausübungsfreiheit
Die Rechtsanwaltskammer ist nicht befugt, ohne Einverständnis des Rechtsanwalts sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach freizuschalten. Andernfalls liegt ein rechtswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vor. Dies hat der Anwaltsgerichtshof Berlin entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wehrte sich ein Rechtsanwalt im Dezember 2015 mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung gegen die Freischaltung seines besonderen elektronischen Anwaltspostfaches, ohne dass er sich dafür registriert hat. Er befürchtete ein erhebliches Haftungsrisiko, sollten an das Postfach Schreiben gesendet werden. Zudem bestehe seiner Meinung nach keine gesetzliche Pflicht zur Nutzung des Postfaches.
Anspruch auf Unterlassung der Freischaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches
Der Anwaltsgerichtshof Berlin entschied zu Gunsten des Rechtsanwalts. Ihm habe ein Anspruch auf Unterlassung der Freischaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches zugestanden. Denn die Freischaltung entgegen des Willens des Anwalts stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dar.
Eingriff in Berufsausübungsfreiheit
Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit habe nach Ansicht des Anwaltsgerichtshofs darin gelegen, dass der Rechtsanwalt entsprechende Hard- und Software vorhalten sowie geeignetes Personal schulen müsse. Zudem müsse das Postfach regelmäßig auf eingehende Nachrichten überprüft werden. Komme er dem nicht nach, könne dies den Vorwurf der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten begründen. Hinzugekommen sei die haftungsrechtliche Frage. Zwar sei eine Haftung zweifelhaft, sollte der Anwalt Schreiben des Postfaches nicht wahrnehmen. Es sei ihm jedoch nicht zumutbar, diese Frage in einem Schadenersatzprozess klären zu lassen. Ferner habe die Gefahr eines Reputationsschadens vorgelegen. Denn ein Dritter könne nicht erkennen, ob der Anwalt das Postfach nicht nutzt oder aus Desinteresse nicht regiert.
Fehlende gesetzliche Grundlage zur Freischaltung begründet Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedürfe einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage, so der Anwaltsgerichtshof. Daran habe es hier gefehlt. Die Vorschrift des § 31 a der Bundesrechtsanwaltsordnung habe die Rechtsanwaltskammer nicht dazu befugt, das besondere elektronische Anwaltspostfach für den Rechtsverkehr zu öffnen und damit den Rechtsanwalt faktisch zu zwingen, dieses zu nutzen. Die Vorschrift verwende lediglich den Begriff des "Einrichtens". Dieser Begriff könne nur so verstanden werden, dass er die Bereitstellung des Postfaches festlegt, nicht aber dessen Eröffnung für den Rechtsverkehr.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.06.2016
Quelle: Anwaltsgerichtshof Berlin, ra-online (vt/rb)
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