Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2016 plante eine Frau zusammen mit ihrem Lebensgefährten zurück in ihre Heimat Hamburg zu ziehen. Sie erwarb aufgrund dessen ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Hamburg, um dort ein neues Wohnhaus zu errichten. Die im Haus lebenden Mieter erhielten eine Eigenbedarfskündigung. Es folgte ein Räumungsrechtsstreit, der schließlich in der zweiten Instanz mit einem Räumungsvergleich beendet wurde. Die Mieter zogen im August 2020 aus dem Haus. Nachfolgend stellte sich heraus, dass die Vermieterin spätestens seit Oktober 2019 ihren Plan zur Rückkehr nach Hamburg aufgegeben hatte. Sie verkaufte das Grundstück im Dezember 2020. Die Staatsanwaltschaft Hamburg klagte die Vermieterin nunmehr wegen Betrugs durch Unterlassen an.
Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf entschied, dass sich die Angeklagte aufgrund der unterlassenen Aufklärung über den Wegfall des Eigenbedarfs noch vor dem Auszug der Mieter wegen Betrugs durch Unterlassung gemäß §§ 263 Abs. 1, 13 StGB strafbar gemacht habe.
Die Angeklagte sei verpflichtet gewesen, so das Amtsgericht, die Mieter über den Wegfall des Eigenbedarfs aufzuklären. Diese Pflicht ergebe sich aus der vertraglichen Beziehung der Mietvertragsparteien. Durch die Aufklärungspflicht werde dem besonderen, sich von gewöhnlichen vertraglichen Austauschbeziehungen abhebenden, existenziellen Abhängigkeitsverhältnis des Mieters von seinem Vermieter Rechnung getragen. Sie entspreche dem im Mietrecht verankerten hohen Mieterschutzniveau und führe, gerade in Ballungsräumen mit erheblicher Wohnungsknappheit, nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Vermieters in seinem Eigentumsrecht. Vielmehr sei sie Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums und stehe im Einklang mit dem politischen und gesellschaftlichen Willen zur Eindämmung einseitiger profitorientierter Bestrebungen auf dem Wohnungsmarkt.
Die Aufklärungspflicht des Vermieters bestehe nach Ansicht des Amtsgerichts bis zum Zeitpunkt der endgültigen Räumung der Wohnung. Dies gelte auch dann, wenn der Mieter im Vertrauen auf das Vorliegen des Eigenbedarfs mit dem Vermieter einen gerichtlichen Räumungsvergleich schließt. Denn ein solcher erfolge auf Seiten des Mieters regelmäßig unter dem Eindruck eines mit nicht unerheblichen psychischen und finanziellen Belastungen verbundenen Räumungsprozess.
Den Mietern sei aufgrund der täuschungsbedingten Vermögensverfügung ein Vermögensschaden in Form des Besitzverlustes an der Wohnung entstanden, so das Amtsgericht. Unerheblich sei dabei die Behauptung der Angeklagten, dass die Immobilie zum Zeitpunkt der Räumung stark renovierungsbedürftig gewesen sei und daher der Wert des Besitzrechts gegen Null tendiere. Denn die Angeklagte sei als Vermieterin verpflichtet gewesen, die Bewohnbarkeit der Wohnung sicherzustellen. Würde man dies anders sehen, könne ein Vermieter sich der strafrechtlichen Verantwortung dadurch entziehen, dass er eine Unbewohnbarkeit der Wohnung verursacht.
Das Amtsgericht ordnete zudem die Einziehung des Erlöses aus dem Verkauf der Immobilie im Dezember 2020 abzüglich der entrichteten Einkommenssteuer und der Kosten für die Anschaffung des Grundstücks im Jahr 2016 an.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.12.2024
Quelle: Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, ra-online (zt/WuM 2024, 618/rb)