18.10.2024
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Amtsgericht Bad Iburg Beschluss17.02.2022

Absonderung demenzkranker Pflegeheim­bewohnerin in abgeschlossenem Zimmer bei Corona-Infektion nach gerichtlicher Anordnung möglichEntsprechender Antrag des Landkreises erforderlich

Infiziert sich eine schwer demenzkranke Heimbewohnerin mit dem Corona-Virus und ist anzunehmen, dass sie krank­heits­bedingt einer Quaran­tä­ne­a­n­ordnung nicht Folge leisten wird, so kann das Amtsgericht bei symptomlosem Verlauf im Einzelfall eine Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer anordnen. Das Betreu­ungs­gericht Bad Iburg ordnete eine solche nach eingehender Prüfung an.

Die 92-jährige Betroffene bewohnt ein Zimmer in einem Pflegeheim und leidet unter einer weit fortge­schrittenen Demenz mit Incompliance und starker motorischer Unruhe. Sie läuft also regelmäßig im gesamten Heim umher und besucht dabei andere Bewohnerinnen und Bewohner in deren Zimmern. Anfang Februar infizierte sich die Betroffene mit dem Corona-Virus, zeigte selbst jedoch keine Symptome.

Absonderung dient dem Schutz anderer Bewohnerinnen und Bewohner

Um zu verhindern, dass die Betroffene das Virus an andere Bewohnerinnen und Bewohner weiterträgt, ordnete der Gesund­heits­dienst des Landkreises Osnabrück auf Grundlage der §§ 28, 30 Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz die Absonderung („Quarantäne“) der Betroffenen an. Da er infolge der Demen­z­er­krankung davon ausging, dass die Betroffene der Quarantäneanordnung nicht ausreichend Folge leisten würde, beantragte er zugleich ihre Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer.

Gericht sieht Absonderung angesichts kognitiver Defizite als zulässig und geboten an

Das Betreu­ungs­gericht hat die Absonderung der Betroffenen in ihrem abgeschlossenen Zimmer angeordnet. Die Absonderung der Betroffenen im geschlossenen Zimmer sei gemäß §§ 28 Abs.1 S.1, 30 Abs. 2 Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz zulässig und geboten gewesen. Die zur Vermeidung der Ansteckung anderer Personen erforderlichen Verhal­tens­weisen könne die Betroffene aufgrund der bei ihr vorliegenden psychiatrischen Erkrankung und der damit verbundenen kognitiven Defizite nicht erkennen und nicht einhalten. Die Betroffene sei körperlich mobil und durch Ansprache nicht dazu zu bringen, von anderen Bewohnern und Pflegepersonen fernzubleiben. Sie bleibe nicht in ihrem Zimmer, sondern möchte dieses unbedingt verlassen und die Gemein­schafts­räum­lich­keiten aufsuchen.

Eingehende Prüfung sowie Anhörung durch das Gericht erforderlich

Dieser Sachverhalt stand zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest. So hat die Betreu­ungs­richterin eine Stellungnahme des Hausarztes ausgewertet, die Pflege­dienst­leiterin und den Bezugspfleger befragt und sich schließlich bei einer persönlichen Anhörung der Betroffenen (die aus Infek­ti­o­ns­schutz­gründen durch das geöffnete Fenster stattfand) einen eigenen unmittelbaren Eindruck von ihr verschafft.

Das Verfahren für die Unterbringung bzw. Absonderung als Freiheits­ent­ziehung ist in §§ 415 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt, auf die § 30 Abs. 2 S. 4 des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes verweist. Der Landkreis muss einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht auf Anordnung der Absonderung stellen. Vor der Anordnung hat der Richter den Betroffenen gemäß § 420 Abs. 1 FamFG persönlich anzuhören. Zwar kann die Anhörung gemäß § 420 Abs. 2 FamFG für den Fall unterbleiben, dass der Betroffene an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes leidet. Diese Ausnahme ist jedoch, da der Anspruch auf rechtliches Gehör im Grundgesetz garantiert ist, eng auszulegen: Ggf. muss die Richterin die Anhörung vor Ort mit entsprechender Schutzkleidung durchführen. Falls die bestehende Infek­ti­o­ns­gefahr tatsächlich eine Anhörung ausschließt, ist dies durch ein ärztliches Gutachten zu belegen.

Quelle: Amtsgericht Bad Iburg, ra-online (pm/cc)

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