18.10.2024
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Dokument-Nr. 429

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Entscheidung26.04.2005Amtsgericht Tiergarten
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Amtsgericht Tiergarten Entscheidung26.04.2005

Freiheitsstrafe für jungen „Raser“ wegen fahrlässiger Tötung

Ein Jugend­schöf­fen­gericht des Amtsgerichts Tiergarten hat den 20-jährigen Umut D. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen.

Der Angeklagte befuhr am Abend des 6. August 2004 mit einem nagelneuen VW Golf in Berlin-Schöneberg aus Richtung Tauent­zi­en­straße kommend die Kleiststraße mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit, zwischen 80 und 90 km / h. Aufgrund dieses Tempos konnte der Angeklagte nicht mehr rechtzeitig bremsen als der Taxifahrer Alexander B. mit seinem Taxi zum Spurwechsel ansetzte. Es kam zum Zusammenstoß mit der Spitze des Taxis. Dadurch geriet der VW Golf des Angeklagten ins Schleudern, drehte sich mehrfach und prallte schließlich gegen einen Ampelmast an der Kreuzung zur Martin-Luther-Straße. Durch die Wucht des Aufpralls knickte der Mast ab und zerbarst. Die in unmittelbarer Nähe stehenden Fußgängerinnen Adelheid K. (72 Jahre) und Andrea R. (44 Jahre) wurden von dem VW Golf des Angeklagten und dem Mast erfasst und schwer verletzt. Sie starben kurze Zeit später im Krankenhaus.

Das Jugend­schöf­fen­gericht ist dem technischen Sachver­ständigen folgend davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund der stark überhöhten Geschwindigkeit den Unfall nicht vermeiden konnte. Er habe in erhöhtem Maße vorwerfbar gehandelt, so der Vorsitzende Richter in der Urteils­be­gründung. Die erhebliche Unfallgefahr, bei derart hohen Geschwin­dig­keiten im inner­städ­tischen, auch von Fußgängern frequentierten Bereich, sei für den Angeklagten „vorhersehbar“ gewesen.

Der Angeklagte hatte sich in der Haupt­ver­handlung zu den Tatvorwürfen nicht geäußert. In seinem letzten Wort äußerte er leise: „Tut mir leid“.

Zu Lasten des Angeklagten hat das Gericht seine früheren Verfehlungen gewertet. Er stand erstmalig bereits 1999 vor dem Jugendgericht. Insgesamt fünf Eintragungen weist das Register auf: wegen gefährlicher Körper­ver­letzung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Diebstahls im besonders schweren Fall, versuchter Straf­ver­ei­telung, Körper­ver­letzung und zuletzt im Jahr 2004 wegen Beleidigung von Polizeibeamten. Die meisten Taten standen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr.

Mehrere Kurse für Verkehr­s­s­traftäter und ein Anti-Gewalt-Trainung hat er bereits absolviert, bislang allerdings ohne eine durchgreifende Änderung seines rücksichtslosen Verhaltens anderen gegenüber – so das Gericht in der Urteils­be­gründung. Aufgrund erkennbarer Reife­ver­zö­ge­rungen wandte es für den als Heranwachsenden im Sinne des Jugend­ge­richts­gesetz geltenden 20-Jährigen das Jugend­s­trafrecht an.

Die Schwere der Schuld sah das Amtsgericht als gegeben an und verhängte daher eine Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Eine Strafaussetzung zur Bewährung lehnte das Gericht ab, da es nach den straf­recht­lichen Vorbelastungen und dem Verhalten des Angeklagten nach der Tat – er reagierte im Anschluss an den Unfall aggressiv, schob die Schuld auf andere und fand auch nicht den Weg zu den Hinterbliebenen der Opfer – nicht annahm, er werde sich auch ohne den Einfluss der Haft künftig straffrei führen.

Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte nach den Worten des Vorsitzenden Richters auch als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, weshalb ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Erst nach zwei Jahren und sechs Monaten darf er sich wieder um eine neue bemühen. Ob diese Bemühungen dann erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten.

Quelle: Pressemitteilung des AG Berlin-Tiergarten vom 26.04.2005

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