21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Ausrüstung eines Polizisten.

Dokument-Nr. 11985

Drucken
Urteil17.03.1998Amtsgericht StuttgartB 4 Ds 20 Js 59054/97
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZV 1998, 477Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 1998, Seite: 477
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
ergänzende Informationen

Amtsgericht Stuttgart Urteil17.03.1998

Straßen­bahn­fahrer wegen zu frühem Schließen der Straßenbahntür wegen Nötigung strafbarStraßen­bahn­fahrer trennte Mutter und Kind

Ein Straßen­bahn­fahrer, der obwohl er erkennt, dass eine Mutter mit ihren zwei Kindern noch nicht vollständig eingestiegen ist, die Türen schließt, so dass ein Kind auf dem Bahnsteig zurückbleibt,, kann sich wegen Nötigung strafbar machen. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt hervor.

Im zugrunde liegenden Fall wollte eine Mutter mit ihren zwei Kindern (7 und 13 Jahre) in Stuttgart an der Haltestelle Bahnhof Feuerbach in die Straßenbahn der Linie 13 einsteigen. Die Frau half zunächst ihrem kleinen Kind in die Straßenbahn einzusteigen und wies ihm einen Platz zu. Danach wollte sie ihrem 13 Jahre alten und geistig behinderten Sohn in die Straßenbahn helfen. Dieser kann zwar normal gehen, jedoch nicht sprechen und sich nicht orientieren, weshalb er hilflos ist.

Geistig behinderter Sohn blieb auf dem Bahnsteig zurück

Der Sohn leistete der Bitte der Mutter, die Straßenbahn zu betreten, nicht sofort Folge, sondern blieb stehen. Er hatte Angst, die Tür könne sich beim Betreten unvermittelt schließen. Die Mutter bat ihren Sohn ein paar Mal, die Straßenbahn zu besteigen. Der Straßen­bahn­fahrer schloss sodann, obwohl er erkannt hatte, dass das Kind auf dem Bahnsteig zur Mutter gehörte, die Wagentür und fuhr los, weil er bereits Verspätung hatte. Der geistig behinderte Junge blieb auf dem Bahnsteig zurück.

Fahrer hielt nicht und bot keine Hilfe an

Die Frau informierte darauf hin den Fahrer der Straßenbahn, dass ihr Sohn geistig behindert sei. Der Bitte der Frau, die Bahn sofort anzuhalten, entsprach der Fahrer nicht, da sich die Türen nach dem Anfahren nicht mehr Öffnen ließen. Auch ein Zurückfahren war nicht möglich. Obwohl der Fahrer zu diesem Zeitpunkt wusste, dass das Kind hilflos war, bot er der Mutter keine Hilfe an. Er fuhr ohne weitere Maßnahmen zu treffen weiter.

Mutter fuhr zurück, um ihr Kind zu suchen

An der nächsten Station stieg die Mutter mit ihrer Tochter aus, und fuhr mit einer anderen Bahn zurück. Ihr geistig behinderter Sohn war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort. Erst durch die Hilfe eines anderen Straßen­bahn­fahrers, der die Leitzentrale verständigte, konnte die Frau ihren Sohn wieder finden.

Gericht: Straftatbestand der Nötigung erfüllt

Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt verurteilte den Straßen­bahn­fahrer wegen Nötigung gemäß § 240 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80,- DM (insgesamt 3.200,- DM). Nach Auffassung des Gerichts erfülle der Vorgang des Schließens der Tür durch Knopfdruck des Angeklagten das Tatbe­stands­merkmal der Gewalt. Entscheidend sei für die Bejahung der Gewaltanwendung, wie sich die Handlung auf das Opfer auswirke. Hier habe die Mutter die Straßenbahn nicht mehr verlassen können und sei gezwungen gewesen, ihr hilfloses Kind an der Straßen­bahn­hal­te­stelle stehen zu lassen.

Nötigung war auch rechtswidrig

Diese Tat sei auch gemäß § 240 Abs. 2 StGB rechtswidrig gewesen, stellte das Gericht weiter fest. Zwar sei der Zweck der Maßnahme, nämlich den Fahrplan möglichst einzuhalten, nicht rechtswidrig. Dies dürfe aber nicht durch die Hinnahme der Trennung von Mutter und Kind geschehen. Das eingesetzte Mittel war nach Auffassung des Gerichts verwerflich, weil sittlich in erhöhtem Maß zu missbilligen.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (vt/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil11985

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI