Dokument-Nr. 23214
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- FamRZ 1993, 707Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 1993, Seite: 707
- FuR 1993, 52Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 1993, Seite: 52
- NJW 1993, 1720Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1993, Seite: 1720
Amtsgericht Münster Urteil08.12.1992
Kein Anspruch auf Kranzgeld nach Geschlechtsverkehr und Aufhebung des VerlöbnissesVorschrift des § 1300 BGB wegen Verstoßes gegen Gleichberechtigungsgrundsatz verfassungswidrig
Hat ein verlobtes Paar Geschlechtsverkehr und hebt der Mann anschließend das Verlöbnis auf, so steht der Frau kein Anspruch auf ein Kranzgeld gemäß § 1300 BGB alte Fassung zu. Denn die Vorschrift ist wegen des Verstoßes gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz (Art. 3 GG) verfassungswidrig. Dies hat das Amtsgericht Münster entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Während der Osterzeit im Jahr 1991 hatte ein seit Neujahr verlobtes Paar im Urlaub Geschlechtsverkehr. Nachdem der Mann im Juni 1991 das Verlöbnis auflöste, klagte die Frau auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.000 DM. Ihrer Meinung nach habe sie aufgrund des durchgeführten Geschlechtsverkehrs nicht mehr so leicht einen anderen Mann finden können.
Kein Anspruch auf Kranzgeld
Das Amtsgericht Münster entschied gegen die Frau. Ihr habe kein Anspruch auf ein Kranzgeld gemäß § 1300 BGB alte Fassung zugestanden. Denn die Vorschrift sei verfassungswidrig.
Verfassungswidrigkeit aufgrund Verstoßes gegen Gleichberechtigungsgrundsatz
Nach Ansicht des Amtsgerichts sei die Regelung nicht mit Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes vereinbar, wonach Frauen und Männer gleichberechtigt seien und niemand wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden dürfe. Die Vorschrift des § 1300 BGB alte Fassung habe lediglich Frauen ohne ersichtlichen Grund einen Entschädigungsanspruch gewährt. Den seelischen Schmerz wegen des gebrochenen Verlöbnisses empfinde ein Mann nicht typischerweise geringer als eine Frau. Irgendwelche besonderen biologischen oder seelischen Eigenarten der Frau rechtfertigen nicht die Ungleichbehandlung.
Kein Schutzbedürfnis für Frauen
Die Vorschrift sei nicht mehr zum Schutz der Frauen erforderlich gewesen, so das Amtsgericht weiter. Das Risiko einer nichtehelichen Geburt werde durch die modernen Verhütungsmittel fast völlig beseitigt. Zudem erleide die soziale Wertschätzung der Verlobten durch den Geschlechtsverkehr aufgrund des Abbaus ehemals übertriebener Moralvorstellungen keine Einbußen. Sexuelle Kontakte unter ernsthaft Verlobten gelten nicht mehr als anstößig. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass sich daraus auch in der heutigen Zeit noch verminderte Heiratschancen ergeben. Ohnehin bedeute dies keinen Schaden, da heute auch alleinstehenden Frauen alle beruflichen Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten offenstehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2016
Quelle: Amtsgericht Münster, ra-online (zt/FamRZ 1993, 707/rb)
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